Frank Zappa

„Waka/Wazoo“ – Flucht in den Irrwitz

Zappa Records/Universal (VÖ: 16.12.)

Zwei Fusion-Großwerke des Großmeisters aus den frühen Siebzigern mit massig Bonus

Nach seinem legendären Sturz in einen Londoner Orchestergraben im Dezember 1971 war Frank Zappa körperlich schwer gezeichnet.
Doch trotz anhaltender Schmerzen und obwohl er auf einen Rollstuhl angewiesen war, nahm seine Kreativität fast furchteinflößende Formen an. Nichts weniger als ein großes „Electric Orchestra“ sollte einige der ambitioniertesten Kompositionen seiner Karriere umsetzen. Am Ende einer kurzen Rekrutierungsphase fand sich eine Schar wild entschlossener Holz- und Blechbläser, flankiert von den alten Weggefährten Aynsley Dunbar und George Duke sowie dem Pedal-Steel-Haudegen Sneaky Pete Kleinow, in den Paramount Studios in Los Angeles ein, um in nur einer Woche die losen Fäden von „Hot Rats“ und „Burnt Weeny Sandwich“ aufzunehmen und zu einem wirren Knäuel aus schrägen Takten, Miles-Davis-Anleihen („Big Swifty“) und kaum zu zügelnden Gitarrenimprovisationen zu verhaken.

Seine häufig parodistischen und ebenso witzigen wie respektlosen Kommentare machten ihn fast zwangsläufig zu einem Seelenverwandten.

Das im Juli 1972 veröffentlichte „Waka/Jawaka“ (das schon auf Cover und Labels den „Hot Rats“-Bezug herausstellt) bildete aber nur den Auftakt zu Zappas geballter Fusion-Offensive. Inzwischen waren weitere Musiker engagiert worden, um die Vorstellungen des Rekonvaleszenten von einem zeitgemäßen Big-Band-Sound für die Nachwelt festzuhalten. Musikalisch strukturierter und eingängiger als sein Vorgänger, zählt der Jazz-Rock-Paukenschlag „The Grand Wazoo“ heute zu den Sternstunden vor allem des Komponisten und Arrangeurs Frank Zappa.

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Genau diese beiden Platten waren es dann, ohne die private Zappa-Partys, die seit den frühen 80er-Jahren im Osten des geteilten Deutschlands populär wurden, nicht vorstellbar gewesen wären. Von Musik besessene, unangepasste junge Typen, die mit verordneten Richtlinien und Parolen nichts anfangen konnten, hatten sich neben englischem Prog-Rock für den für eine öffentliche Vereinnahmung ebenso denkbar ungeeigneten Wahlkalifornier entschieden, um ihre Nischen zu beschallen.

Zappa verhalf denjenigen zu kleinen Fluchten, für die eine große keine Option darstellte

Seine häufig parodistischen und ebenso witzigen wie respektlosen Kommentare zu den herrschenden Verhältnissen machten ihn fast zwangsläufig zu einem Seelenverwandten. Und so verhalf Zappa hier denjenigen zu kleinen Fluchten, für die eine große keine Option darstellte. Wenn am Ende von „It Just Might Be A One-Shot Deal“ oder „Cletus Awreetus-Awrightus“ die Auserwählte dann noch immer im selben Raum ausharrte, waren für eine gemeinsame Zukunft keine größeren Hürden mehr zu erwarten. Auf der Zappanale im mecklenburgischen Bad Doberan trifft man noch heute einige dieser Pärchen.

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Das äußerst umtriebige Label Zappa Records bringt nun am Ende eines ereignisreichen Jahres eine Box an den Start, die für das Jahr 1972 kaum noch Wünsche offenlässt. Auf vier CDs versammeln sich spannende Outtakes und der Bezeichnung tatsächlich gerecht werdende Alternativversionen fast aller auf den Original-LPs enthaltenen Stücke, das komplette Konzert im Winterland Ballroom in San Francisco vom 15. Dezember 1972 mit u. a. „Chunga’s Revenge“ und einem Ausblick auf „Apostrophe (’)“ sowie die sagenumrankten, bislang unveröffentlichten George-Duke-Demos, die Zappa produziert hatte und auf denen er Gitarre spielt.

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Eine beigelegte Blu-ray-Audio-Disc bietet zusätzlich beide Alben in Dolby Atmos, 5.1 Surround und hochauflösenden Stereo-Mixen. Die gute Nachricht für Plattensammler: Separat kommen sowohl „Waka/Jawaka“ als auch „The Grand Wazoo“ auf 180 Gramm schwerem Vinyl, schwarz oder (limitiert) farbig, von Bernie Grundman von den Originalbändern gemastert und in Röbel an der Müritz [artistxite] gepresst.

Autor: Ronald Born