Gallon Drunk – In The Long Still Night
Die Nacht, das Herz, der Rhythmus. James Johnston, der im verwegenen Teddy-Boy-Outfit unter seinen adrett poppenden Landsleuten reichlich deplaziert aussieht, lief früher nachts mit einem Diktiergerät durch London. Heißt es zumindest. So hielt er jede Impression, jedes Geräusch fest, um es in die Musik seiner Band Gallon Drunk zu verpflanzen. Ein Bastard aus Rhythm’n’Blues und Mambo war das, konvulsivisch zuckend und doch geschmeidig. Erregung und Eleganz gingen hier gut zusammen. Trotz kalkulierter Coolness war der Rhythmus für Johnstons Ensemble Obsession. Die Konzerte dauerten selten länger ab eine halbe Stunde – danach war alles gesagt, alles gefühlt.
Früher war die Nacht kurz, aber laut für Gallon Drunk. Und heute? Heute betiteln sie ihr Album „In The Long Still Night“. Sinister ist die Musik geblieben, aber der Song hat über das selbstgenAgsame Geräusch Oberhand gewonnen. Folge einer längeren Auszeit, in der sich James Johnston als Gitarrist für Nick Caves Bad Seeds und Saxophonist Terry Edwards bei den Tindersticks verpflichteten (zwischendurch erschien nur die „Traitors Gate E.P.“). Mit diesem dritten regulären Album könnten Gallon Drunk, die neidisch beäugten Außenseiter des britischen Pop-Betriebs, ihren ersten Verkaufsschlager landen. Johnstons Talent ab Crooner blitzte bisher nur gelegentlich auf, mit „Geraldine“ oder „Eternal Tide“ arbeitet er es nun voll heraus. Liebeslieder, aber von Verzweiflung keine Spur.
Von dem zahmen Schmelz in Johnstons Stimme könnten Gallon-Drunk-Fans der ersten Stunde ein bißchen enttäuscht sein. Wären da nicht – zum Beispiel – das überhitzt gespielte Eröffnungsstück „Two Clear Eyes“ oder das Instrumental „Big Pay-Off“, in denen die alten Tugenden des Unternehmens auffackeln. Joe Byfield, nach langer Trennung wieder dabei, rührt trocken seine Maracas, während Johnstons Eruptionen auf Orgel und Gitarre sowie der massive Mahlstrom aus Edwards Baritonsaxophon die weichen Percussion-Flächen aufreißen.
Noch immer unruhig: die Nacht, das Herz, der Rhythmus.