Genesis :: 1983 -1998

Box-Set mit den traurigen späten Jahren auf je fünf CDs und DVDs

Der Video-Regisseur Jim Yukich konnte sein Glück kaum fassen, als er 1983 für einige Videoclips von Genesis verpflichtet wurde. Yukich war ein Bewunderer der Band und ein wenig enttäuscht darüber, dass „Mama“ schon gedreht worden war, weshalb er mit einem „Country & Western-Song“, nämlich „That’s All“, vorlieb nehmen musste. Mike Rutherford gab den Befehl „No babes!“ aus, obwohl bei „Mama“ zumindest verführerische lange Beine zu sehen sind (von Mutter?). Das „Mama“-Video spielte in einer Art Patio oder Treppenhaus – so inszenierte Yukich „That’s All“ in einer Scheune mit dem unrasierten Phil Collins und mit Tony Banks am Saloon-Klavier. Für „Illegal Alien“, den albernsten Song von „Genesis“ (1983, 3,0 ), durfte Yukich ein weiteres Video drehen. Dazwischen lag „Home By The Sea“, der vielleicht beste Song der Platte und kein Erfolg als Single.

Nun durfte Jim Yukich die pikante Aufgabe erfüllen, die Liner Notes zu den vier Alben und dem Extra-Material dieses Luxus-Kartons zu schreiben. Insofern eine glückliche Wahl, als er von keinem Zweifel angekränkelt ist und für alles eine Ausrede findet (wenn er merkt, dass es eine braucht). Immerhin drehte er sämtliche Videos für die Singles von „Invisible Touch“ (1986, 2,0), es waren wohl unfassliche sechs (also beinahe die komplette Platte), mit denen Genesis damals das gesamte Jahr und das folgende beschallten. Die Latex-Grimassen verfolgen einen bis heute. Mit diesem Album begann die automatisierte Verfertigung von Genesis-Gassenhauern mit synthetischem Schlagzeug, Sound-Geklöter und Fanfaren-Charakter sowie pseudo’kritischen Themen (böse Politik, Drogensucht, missratene Liebe). Das umständlich zweiteilige und leer verkünstelte „Domino“ hatte sich aus einer anderen Zeit hinübergerettet – gleich ein „Favorit der Fans“.

Man sollte „We Can’t Dance“ (1991, 1,0) unbedingt Wiederhören, um zu ermessen, welches Elend das Album tatsächlich ist. Und dazu die Dokumentation von den Aufnahmen auf der beigelegten DVD sehen. Die drei Musiker arbeiten im lauschigen Studio in Surrey, die Songs haben noch lustige Arbeitstitel wie „Elephant“, Rutherford kritzelt einen Text in eine Kladde, Collins entdeckt beim Herumsingen den Titel „No Son Of Mine“ und säuselt „Hold On MyHeart“, das wie „One More Night“ klingt, zum windelweichen Bummbatsch des Backing Tracks. Die Kollegen freuen sich. Zwischendurch radeln Collins und Banks durch die Landschaft. Collins lobt die „Improvisationen“ und das computerisierte Schlagwerk der Produktion, Rutherford ist stolz auf sein verkitschtes „Dreaming While You Sleep“. Noch schlimmer sind jämmerliche Schnulzen wie „Teil Me Why“ („Mothers crying in the street/ Children dyingat their feet“), „Living Forever“ (nicht von Oasis) und „Way Of The World“, in denen die drei saturierten Musiker ihren Weltschmerz artikulieren.

Sogar Tony Banks versagt mit „Fading Lights“, einer von vielen schwachen Variationen seines „Afterglow“: Es gehe darum, so Banks, dass man alles irgendwann zum letzten Mal tut. So etwas, gibt er zu, könne „corny“ werden. Ach, Tony! Seine Keyboard-Schwaden sind ein matter Abglanz der früheren genialischen Arbeiten. Immerhin gibt es hier neben den obligaten Videos einiges Material, das die DVD überhaupt lohnt. Bei den früheren Alben werden allen Ernstes „Tour Programmes“ aufgeblättert, „Genesis“ wird um eine Aufnahme (mit einer Kamera!) von Konzert-Proben 1983 ergänzt. Die angehängte Extra-DVD enthält Ausschnitte vom Auftritt beim Knebworth-Festival 1993 und vier Stücke von der „MMF Awards Ceremony“ im Jahr 2000.

Bei „Giliing All Stations“ (1998, ¿1/2) gibt es einen Schnipsel aus dem „Polish Television“ und einen von „Rock im Park, Germany“. Zu dem Versuch, den geflohenen Collins durch einen Sänger zu ersetzen, der „Peter Gabriel ähnlicher klingt“, wurde alles gesagt: Der arme Ray Wilson hatte keine Chance. Sem Gesang ist nicht das Schlimmste an dieser ziemlich schlimmen Platte. Die (allerdings viel zu langen und fast ereignislosen) Stücke werden ausgeblendet wie bei einer Amateur-Aufnahme.

Sie hatten alles mit dem Arsch eingerissen, was Poesie und Märchen, Schönheit und Phantastik gewesen war.

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