Glen Campbell – The Legacy 1961-2002: „Wichita Lineman“, „Rhinestone Cowboy“, Schmachtfetzen galore: ein amerikanischer Gigant, Mama!

Wäre er nicht längst erledigt – Glen Campbell würde zum Lieblingsfeind von Michael Moore taugen. Mit der blonden Naivität des Mitternachtscowboysjon Voight war der Naturbursche aus Albuquerque 1960 nach Hollywood gekommen, hatte sich als versierter Session-Gitarrist und Gelegenheitssänger empfohlen und an vielen Beach Boys-Aufnahmen, auch an denen zu „Pet Sounds“, teilgenommen. Mit einem anderen Außenseiter, dem begnadeten Bürschchen Jimmy Webb aus Oklahoma, gelang ihm 1966 der erste Hit: „By The Time I Get To Phoenix“, die Blaupause für alle unsterblichen Webbtearjerker: umständlicher, wundersamer Text zu jubilierender Melodie, Tonnen von Streichern und Flöten und die Melancholie mehrerer Melodramen.

Mit Webbs „Wichita Lineman“ (1968) und Jerry Weiss‘ „Rhinestone Cowboy“ im Jahr darauf wurde Campbell zum Superstar mit eigener Fernsehshow (und Auftritt in John Waynes Oscar-Film „True Grit“). Anderswo gab es Rassenunruhen, Demonstrationen und Studentenagitation: „Glen was mom and apple pie“, bemerkte sein Manager Stan Schneider. „You had this apple-cheeked, blonde guy when a lot of the world was getting grungier and grungier.“

Und so blieb es. Noch 1977 hatte Campbell mit Allen Toussaints „Southern Nights“ und Neil Diamonds „Sunflower“ zwei grandiose Hits, bevor er auf grotesk aufgeblasenen Pomp-Produktionen und Schlager-Schlock in den Sonnenuntergang ritt Zwischenzeitlich hatte er offiziell den Drogen abgeschworen, sich Gott zugewandt und entsprechend manches fromme Lied geträllert, aber hier verliert sich auch das Booklet im Ungefähren. Glen Campbell war ein anständigerjunge, der genialisch Gitarre spielte, wie ein Waisenknabe sang und die Frauen liebte. „Reason To Believe“ schmetterte er ebenso wie „God Only Knows“, „I Say A Little Prayer“, „MacArthur Park“, „I Knew Jesus (Before He Was A Star“) und „The Moon’s A Harsh Mistress“. Leider konnte er selbst nicht schreiben.

Als ihn aber das Glück verließ, produzierte Campbell weiterhin Platte um Platte, und sein Gesang, schon früher erschütternd, wurde immer noch berückender. „I guess 111 always be around“, singt er in dem unglaublichen Schmachtfetzen JHighwayman“, dessen Poesie er Cash, Nelson, Jennings und Kristofferson empfahl, die dann ab Highwayinen tingelten. Hatte er einen Song wie „Only One Life“, sang er bebend um sein Leben wie der junge Scott Walker (der vor“ Climote Of Hunter“ auch manchen amerikanischen Schmonzes nicht unter seiner Würde fand).

Für Campbells rauschendste Apfelbäckchen-Operetten würde ich das gesamte verheuchelte rat pack verscheuern.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates