Global Village :: VON KLEIN-JOSCH-MÜLLRICH
Wie fest nur hatten sich Josch-Klein-Mütlrich vorgenommen, den arg begrenzten Raum dieser bescheidenen Kolumne nur für akustische Highlights zu benutzen (das Leben ist zu kurz für langweilige Musik), und nun dies: Die Firmen Virgin und Lee beschränken sich nicht mehr auf preiswerte Atlantik-Überquerungen respektive passables Beinkleid, sondern besitzen die Stirn, uns ein Machwerk namens „Sacred Sptrit“ (Virgin) ins Haus zu schicken. Wer hinter dem Titel Mutter Theresas oder des Dalai Lamas erste Solo-Werke vermutet hätte, könnte nicht falscher liegen. Vom Cover trifft uns der Blick einer ziemlich nackten schwarzen Werbe-Beauty, die etwas Phaüisches im Arm hält, daß sich erst auf den zweiten Blick als ein Cello entpuppt. Der optische Eindruck wird kongenial vom Hörerlebnis begleitet. Wir hören die – aus Funk und Fernsehen bekannten Melodien der amerikanischen Hosenschneiderei. „Sacred Spmt“ -Untertitel „Vol 2 Culture Clash“ ist allen zu empfehlen, denen die Werbeblöcke Höhepunkte eines gelungenen Fernseh-Abends bedeuten. Enigma für Arme? Wir wenden uns ab mit Grauen. 1,0
Wer Ofra Haza ohne US-Weichspüler hören will, ist mit der anglobelgisch-palästinensich-jüdischen Sängerin NATACHA ATLAS bestens beraten. Eingeweihten ist die kosmopolitische Vokal-Akrobatin schon lange als Stimme der Londoner Dub-Avantgardisten Transglobal Underground vertraut Mit „f/a-Ixm“ (RTD) führt sie uns auf den Spuren von Fairuz, Abdel Halim Hafez und Mahamed Mounir zu ihren nordafrikanischen Wurzeln. Ragga-Muffin-Bhangra-Rai-Dub-Kamelritt quer durch die Kasbahs und Basare arabischer Popmusik. Ja, Salam aleikum, Natacha. 4,0
Anfang des Jahrhunderts wurde unter dem Kommando eines Herrn Carl Peters (sein Denkmal in Form eines riesigen steinernen Elefanten steht immer noch irgendwo in Bremen herum) in Deutsch-Südwest-Afrika der Aufstand der Eingeborenen niedergeschlagen. Bis heute hält sich der gegen unaufgeräumte Kinder- und Jugendzimmer geschleuderte Bannfluch deutscher Eltern: JHUer sieht’s ja aus wie bei den Hottentotten!“ Realität ist: Die Hottentotten wurden in die Kalahari-Wüste getrieben und zu Zehntausenden dem Hunger- und Durst-Tod ausgeliefert Diese bittere Erinnerung überkommt uns, wenn wir „How Far Hare We Come“ (SMD) von POPS MOHAMED hören. Von dort aus der Wüste stammen nämlich die faszinierenden Feldaufnahmen mit der Musik der Khoisan-Buschmänner. Stimmen und Klänge aus prähistorischen Tagen der Menschheit Ob es wirklich nötig war, daß „weiße“ Männer in London diese Roh-Edelsteine teilweise mit Overdubs versahen?
4,0
Jetzt klappen wir also dieses südafrikanische Schatzkästchen wieder zu und wenden uns den aufmüpfigen Korsen zu. Daß dort etwas Eigenständiges läuft, ist selbst dem eingeschlafensten „Tagesschau“-Gucker klar; wenn mal wieder eine Touristensiedlung oder eine der verhaßten französischen Polizeistationen in die Luft fliegt. Nicht umsonst hat auch die Fremdenlegion dort ihr Hauptquartier. Gott sei dank legen I MUVRINI mit „Terra Corsa“ (Biber/In-Akustik) jedoch keine Bomben, sondern wundervolle Tracks auf ihre Alben. Auf ihrem Eiland sind sie Volkshelden, und in Frankreich scheffeln sie goldene Schallplatten. Motto: „Wozu in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah.“ Auch Europa ist abseits der von den Industrie-Elefanten ausgetretenen Pfade voller Überraschungen. Der polyphone Gesang – absolut eigentümlich; die Instrumentierung – Dudelsack, Synthi, Akkordeon, Drums, Drehleier, Gitarre – reichlich schräg. Alles zusammen extrem wirkungsvoll. Sollte man sich auch mal live reintun. 3,5
„TheEarth“ (JVC) von der Pekinger Erhu-Virtuosin JIANG JIAN HUA ist in Zukunft ein Muß für jede Chop-Suy-Party. Hier spielt die Chefin dieses der Violine ähnliche chinesische National-Instrument selbst. Begleitet von der Creme des National-Orchesters. Für alle, denen die Peking-Oper zu heftig ist. Ein Muß für akustische Globetrotter. 4,0