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Was bringt uns der Briefträger denn heute Schönes? Also – frisch die Ohren geputzt und den CD-Spieler angeworfen. Bevor wir an dieser Stelle tief Luft holen, muß erstmals klargestellt werden, daß uns „Ni Hau“ (Schneeball/Indigo), das im Februar bereits besprochene neue Opus der Münchner Freischärler EMBRYO immerhin 3,5 wert war. Die hatte der Druckteufel einfach unterschlagen. Alles klar, Embryo? Auf daß ihr uns nie haut! Jetzt aber ran.

Als erstes hören wir, aus unserer beliebten Reihe „Musik der Anbaugebiete dieser unserer Welt“, eine Compilation von WARDA (Hemisphere/EMI). Jeder Araber kriegt bei Nennung ihres Namens augenblicklich rote Ohren – doch dem gemeinen Mitteleuropäer darf man die Sache etwas erläutern: Warda, in Paris geborene und aufgewachsene Tochter algerisch-libanesischer Eltern, die übrigens auch die Betreiber des Pariser „Tarn Tarn“, des berüchtigsten arabischen Nightclubs nördlich des Mittelmeeres waren, diese Warda ist neben der Libanesin Feiruz die Fackelträgerin neuzeitlichen arabischen Gesangs. Obwohl ihr Stil sich durchaus in der nachkolonialen arabischen Tradition einer Oum Kalthoum oder eines Farid al Atrache bewegt, gilt sie vielen als Wegbereiterin der Moderne. Einsteigern unbedingt zu empfehlen. 3,0

Schon lange eingestiegen ist CHRIS KARRER. Kennern der tragikomischen Geschichte des Krautrock auch als Spiritus rector der Münchner Legende Amon Diiül II bekannt. Sein neues Solowerk, auf dem er fast alle, die in Deutschland schon mal Cous-Cous gegessen haben, um sich versammelt, nennt sich „Dervish Kiss“ (Schneeball/Indigo). Ob er vom Küssen etwas versteht, entzieht sich auch nach mehrmaligem Anhören des Albums unserer Kenntnis, scheint aber sekundär zu sein. Die Aufzählung der beteiligten Mitknutscher würde den Rahmen dieser bescheidenen Kolumne sprengen. Nur soviel sei verraten: Der Germanen liebster arabischer Musiket Herr Rabih Abou KhaliL gibt sich die Ehre neben Ex-Dissidenten-Sänger El Houssaine Kili und Ur-Embryo Christian Burchard, sogar Malerfiirst und Plüschkönig Ernst Fuchs konnte den Mund nicht halten und singt, daß die Wände der Museen wackeln. Dies ist ein Novum, sozusagen eine Weltsensation: Er singt genauso schräg wie JosefBeuys, den wir an dieser Stelle schmerzlich vermissen. Von Amon Düül II hat sich jedoch Kollege Dieter Serfas hinters Schlagzeug geklemmt. Tip beim Anhören: Fenster dicht schließen, damit die Nachbarn nichts riechen. Nicht husten und tief durchatmen. 3,0

Wenn sich ein berühmter Pariser namens Le Pen bei der lernen Fußball-EM (Dir erinnert euch: als wir Berti vergaben) darüber beschwerte, daß das so wunderschön aufspielende Team gar nicht französisch sei, weil ihr Teint dazu viel zu dunkel aussehe (Was ist „französisch“, was ein „Pariser“?), so darf der Herr jetzt bedauerlicherweise noch nicht einmal mehr das französische Radio einschalten. Die aktuelle Nummer 1 in Fronkreisch heißt nämlich „Aisha“ und erklingt auch auf dem uns vorliegenden neuen Album von KHALED, „Sahnt“ (Motor). Alle, denen Monsieur Khaled immer noch kein Begriff ist, finden hier einen „Easy-listening“-Zugang; wer ihn kennt, wundert sich möglicherweise, wie man einen Song seit so vielen Jahren in immer neuen Kleidern anbieten kann. Aber die Rolling Stones können das ja auch. Sogar noch erheblich erfolgreicherjedenfalls ist Sahra mit allen Mitteln westlicher Hochtechnologie produziert, 3,0

Nachdem wir uns schon wundern, ob die Post wohl nur noch in Arabien funktioniert, entpuppt sich ein Päckchen aus Afrika als Krönung des Tages: ein wunderschönes, aufwendig gestaltetes Buch mit CD über die Geschichte und Musik der Griots: JALI KUNDA, „Die Griots Westafrikas und der übrigen Welt“ (Intuition/SMD), produziert von Bill Laswell. Der Meister greift auf einigen Songs auch selbst zum Basse. Hier sind die Besten dieser ursprünglich afrikanischen Tradition versammelt, es grooved und schwingt, was der Lautsprecher hergibt 4,5

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