Grateful Dead :: Live At The Cow Palace, New Year’s Eve 1976
Ein ausladendes Silvester-Neujahrs-Konzert auf drei CDs
Die Diskrepanzen zwischen Studioproduktivität und der Form, in der sich eine Band zu derselben Zeit bei Konzerten präsentiert, ist bisweilen schon verblüftend bis nur schwer nachvollziehbar. Nach Platten wie „Sonic Girls“ und „Tattoo You“ genierten sich die Rolling Stones beispielsweise nicht, mit „Stil! Life“ das so ziemlich schwächste Live-Album der ganzen Karriere zu veröffentlichen. Umgekehrt gelangen den Grateful Dead Mitte der 70er Jahre keine großen Studio-Werke mehr wie „American Beauty“, während sie gleichzeitig auf Konzertbühnen in überragender Form musizierten und zum einen die Dramaturgie der Auftritte immer weiter verfeinerten, andererseits durch ständig neue Einfälle und subtile Modifikationen beim Sequencing zu überraschen verstanden. Die Tourneen der Jahre vor dem Silvester-Gastspiel bis in die frühen Stunden des Jahres 1977 sind auch durch offiziell freigegebene Mitschnitte so gründlich dokumentiert, dass man auch dadurch den Ausnahmerangdes letzteren selbst dann einschätzen kann, wenn man kein jede Note der Idole sammelnder Deadhead ist.
Aus wirtschaftlichen Erwägungen konnte man nicht mehr dieselbe gigantische Anlage wie bei Auftritten in 1974 einsetzen. Die generell als lausig bekannte Akustik des Cow Palace überwand man aber auch dieses eine (und letzte) Mal. Die UKW-Station KSAN sendete nach dem Silvester- auch das Neujahrs-Set fast zur Gänze aus, während dies 3-CD-Set – remixed vom 16-Spur-Multitrack – alle Zugaben komplett bietet. Die Mischung aus Hunter/ Garcia-Original, sparsam dosierten Ohrwürmern („Sugar Magnolia“ einer der Favoriten), Cover-Versionen und langen Jams war die gewohnte – mit dem kleinen Unterschied, dass hier quasi als Bilanz der letzten zehn Jahre so etwas wie ein Ideal-Konzert ablief. Diesmal keine sechs Songs musiziert in sechs Stunden, auch Bob Weir seine Songs generös ins Sequencing einpassend, steuerte das jeweils auf die wunderbar improvisierten Versionen von „Playing In The Band“ und „Morning Dew“ zu. Wie schon bei ein paar Aufnahmen des unlängst luxuriös neu veröffentlichten Solo-Debüts von David Crosby war Phil Lesh der heimliche Star dieses Abends, durch sein Spiel im ziemlich jazzigen Mittelteil von „Playing In The Band“ als ganz unauffälliger Virtuose mindestens so fesselnd wie der Kollege Garcia. Dass er auch beim zweiten Set oft so dominant im Remix zu r Geltung kommt (manchmal könnte man da glatt auf die Idee kommen, das hier sei die Phil Lesh Combo!), hat schon seine Richtigkeit, so sehr ist der Bass in den Vordergrund des Klangbilds gemischt. Jerry Garcia wiederum profilierte sich immer wieder (etwa bei „Eyes Of The World“) durch selbst für seine Bewunderer hier noch zweifellos staunenswerte, überraschende Sangeskünste auf so nicht immer erreichtem Niveau. Wieder mal bewiesen: Bob Weirs Verständnis von „Around And Around“ war bekanntermaßen ein anderes von Chuck Berry als jenes der Rolling Stones, Jerry Garcias Deutung von „Morning Dew“ eine gänzlich andere als die von Jeff Beck und seinem Sänger Rod Stewart. Unvergleichlich halt.
Wie die Interpretationen von Buddy Hollys „Not Fade Away“. Während die Stones auf der Debüt-LP dafür 1 Minute und 46 Sekunden benötigten, nahmen sich die Dead an dem Morgen dafür elf Minuten und drei Sekunden Zeit! Am Ende belohnte man die Fans mit einer sehr hübschen Fassung von „Uncle John’s Band“, der immer nachdenklichen Frage „Wriere does the
time go?“ und der Erkenntnis „Jesus loves you the best“ im Gospel-Traditional „We Bid You Goodnight“. Bis 1991 wurde das dann für diese Band zu einer gern geübten Gewohnheit.