Gwen Stefani – The Sweet Escape

Am Anfang: Gejodel. Jetzt ist sie verrückt geworden, die Stefani. War ja klar. Erst ein Solo-Debüt rausbringen {„Love Angel Music Baby“, 2004), dann ein Kind mit Gavin Rossdale kriegen, zwischendurch Klamotten und Accessoires entwerfen, Parfüm und Puppen entwickeln: So viel schafft kein normaler Mensch. Aber Gwen Stefani ist nicht krank – fast möchte man sagen: leider. Sie ist nur chronisch ehrgeizig, sie muss sich dauernd beweisen, immer die Beste, Schönste, Schlauste sein. Und der Erfolg gibt ihr ja recht: „Hollaback Girl“ ging in die Geschichte ein als erster Song, der mehr als eine Million mal runtergeladen wurde. Nebenbei biss sich der fiese Refrain auch bei unschuldigen Nicht-Käufern wie ein Virus so lange im Gehirn fest, bis nicht mehr viel übrig war außer dem für immer eingebrannten Bild einer tanzenden Blondine, die „Ain’t no hollaback girl“ plärrt. Gesang war es nicht mehr, HipHop aber auch noch nicht. Es war perfekter Wegwerf-Pop, und der hat ja die höchsten Gewinnchancen.

Warum sollte Stefani also etwas ändern? Ihr zweites Soloalbum klingt wie das erste, denn was bei Nelly Furtado eben noch so gut lief, das wird bei der Frau, die diesen Mischmasch-Sound überhaupt erst so offensiv in die Charts gebracht hat, doch wohl noch einmal funktionieren. Also flugs die üblichen Verdächtigen eingeladen. Vor allem Pharrell Williams und No Doubt-Kollege Tony Kanal schrieben an den Songs mit, und entsprechend unterschiedlich klingen sie auch. Die von Williams sind – wie die steile Single „Wind It Up“ mit dem Jodel-Start und die Sex-Travestie „Yummy“ – federleicht und aufgedreht, betonen stets den Beat, nicht den Song oder die Stimme. Die Texte sollte man sowieso lieber ignorieren- es geht immer um boy meets girl oder die Selbsteinschätzung der Glamour-Ikone: „I’m just an Orange County girl, livin‘ in an extraordinary world/ La la la la la la la…“ Höre ich da J.Lo „Jenny From The Block“ trällern? Wieso muss Gwen Stefani erzählen, dass sie sich kaum verändert hat und uns sogar bezahlen würde für die Chance, schreiben, tanzen und singen zu dürfen? Hat das irgendwer verlangt?

Das hier ist ja value for money: ein Song zum Tanzen, einer zum Relaxen, einer zum Wütendsein, einer zum Traurigsein („Early Winter“, an dem Keane-Keyboarder Tim Rice Oxley beteiligt war), einer zum Liebhaben (der Titelsong, bei dem Akon mitsingt). Die Stücke, die sich Stefani mit Kanal ausgedacht hat, sind gewöhnlicher, freilich auch weniger anstrengend als die Pharrell-Hits. Bei „Fluorescent“ und „Don’t Get It Twisted“ gibt sie die Routinierte, singspricht von Liebesnächten und Missverständnissen, meistens in Klischees, immer gewollt supersexy, nie sinnlich. Und am Ende braucht es auch noch einen Linda-Perry-Song, „Wonderful Life“, der mit ordentlich Keyboards unterlegt ist, damit er ins Daisy-Disco-Konzept passt.

Im Booklet zu „The Sweet Escape“ ist Gwen Stefani lachend, weinend, nachdenklich zu sehen, immer mit Platin-Beton-Frisur und wächsernem Gesicht, so schön und so seelenlos-wie ein Automat von E.T.A. Hoffmann. Das ist das Geheimnis ihrer Perfektion: Die ist gar nicht echt!

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates