Harvey Mandel – Cristo Redentor :: Raven
Mick Taylor war weg, ein Drogenwrack, als die Rolling Stones „Black And Blue“ aufnahmen. Bei ein paar Songs brauchte man dann doch wieder einen Gitarristen der etwas virtuoseren Variante. Also heuerte man für die Sessions zu „Hot Stuff“ und „Memory Motel“ Harvey Mandel an, der schon vor Ron Wood als neuer Axeman der Band im Gespräch gewesen war. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon acht Solo-LPs veröffentlicht, Henry Vestine bei Canned Heat ersetzt, mehrere Band-Projekte mit Pure Food & Drug Act realisiert und war ein wahrer Workaholic geworden. Kollegen wie Eddie Van Haien und Steve Vai kupferten einige seiner Spieltechniken ab.
Aber das Kult-Teil, dessentwegen er in jedem Rock-Lexikon zumindest eine Fußnote verdient, ist sein Solo-Debüt. Ziemlich unerhört für 1968: ein reines Instrumental-Album, noch dazu bis auf wenige Ausnahmen alles im Studio improvisiert mit ad hoc verpflichteten Gästen. Einige sind dieselben wie bei Bob Dylans John Wesley Harding“ bei den Nashville-Sessions. Der Kollege Charlie Musselwhite bei den bluesigeren Stücken. Und Nick „Sounds Interesting“ De-Caro, die Streicher arrangierend. Von irgendeiner stilistischen Geschlossenheit konnte da freilich keine Rede sein. Und die Wahl des Produzenten – derselbe Abe „Voco“ Kesh, der mit den Blue Cheer damals gleichzeitig die „lauteste Rockband der Welt“ betreute – war wirklich ausgesprochen bizarr.
Das mit demselben komponierte „Nashville 1 a. m.“ war ihr „Nashville Skyline Rag“, nur nicht ganz so übermütig wie der von Dylan im selben Jahr, der diesen – vornehm ausgedrückt „inspiriert“ hatte. „You Can’t Tell Me“, mit Dino Valenti geschrieben, klang – was auch sonst? – fast wie ein Outtake aus der Debüt-LP von Quicksilver Messenger Service. Ein Psychedelik-Trip war auch „Bradley’s Barn“, nur lockerer wie eine Fingerübung dargeboten als das, was Jeff Beck damals, zu schwerem Metall tendierend, mit der Gitarre anstellte. Der Titelsong war natürlich purer Kitsch, aber das mit Barry Goldberg und Charlie Musselwhite eingespielte „The Lark“ reinste Blues-Wollust Zuschanden spielte allerdings jeder diese Platte vor allem wegen der Aufnahme des Gospel-Klassikers „Wade In The Water“, eine Cover-Version und weniger spirituell denn als wortloser Drogentrip vergleichbar dem. was Jefferson Airplane aus Donovans „Fat Angel“ oder Quicksilver Messenger Service aus Bo Diddleys „Mona“ machten. Ein achtminütiges, schwer zeitgeistiges Stück von klassischem Drogenrock. Also mehr als ungewöhnlich für jemanden, der den Chicago-Blues mit der Muttermilch eingesaugt hatte.
1995 hatte der für die Katalog-Abteilung bei Polygram verantwortliche Bill Levenson das schon mal komplett auf der Doppel-CD „ThcMercury Ifears“ wieder veröffendicht. Jetzt präsentiert die Raven-Ausgabe als Bonus-Tracks acht Aufnahmen mehr als die Vinyl-LP – mit Canned Heat, Arthur Lee und Pure Food & Drug Act. Ansonsten ist das Original-Album hier bezüglich der Überspielqualität absolut identisch mit der auf dem „Mercury Years“-Doppel-Set erschienenen Fassung.