Heinz Rudolf Kunze :: Die Gunst der Stunde

Talsohle erreicht: Biederer Deutschrock für den Kleinbürger

Ach, wie oft hört man den Vorwurf der Schlagerhaftigkeit, wenn es um die Musik von Heinz Rudolf Kunze geht, und wie gern würde man diesen nur mit einem Kopfschütteln abtun. Gern würde man immer wieder die ersten Platten oder den makellosen Liedermacher-Pop von „Dein ist mein ganzes Herz“ und „Brille“ ins Feld führen, wenn es um die Größe des Songschreibers Kunze geht. Das wird nach „Die Gunst der Stunde“ unmöglich sein. Hier trifft tatsächlich schlimmster Schlager auf allerschlimmsten Deutschrock.

Also hereinspaziert in den ZDF-Fernsehgarten. In „Hunderttausend Rosen“ brazzen die E-Gitarren kraftmeierisch, aber das Lied könnte auch von Wolle Petry stammen. Der Sänger hebt zum definitiven Vortrag an: „Wir alle suchen Liebe/ Wir alle suchen Glück/ Egal wie cool man sich stellt/ Das ist der Lauf dieser Welt/ Wir alle wolln ein Stück.“ „Ich glaub du liebst mich“ ist noch so ein fader Rock-Klopfer. Bei „Ich liebe dich“ und „Susanne es ist aus“ hat Kunze die Bierseligkeit eines Dorffestes. Statt Elton John, Nick Lowe und Randy Newman gibt’s jetzt Helene Fischer, Tom Astor und Pur. Und Plattitüden, wo man hinhört: „Lang war die Fahrt/ Du musst müde sein/ Mein Hafen ist eisfrei, lauf ein“, wird in „Eisfrei“ geschmachtet. Das ist Musik für den Kleinbürger, der auch gern mal dem Erbauungsschwulst Marke Rosenstolz erliegt.

Mit „Die Gunst der Stunde“ kappt Kunze die Verbindung zu dem Mann, der einst grandiose Stücke wie „Folgen Sie mir weiter“ oder „7. Juli Vormittags“ schuf. Anlässlich der DVD-Veröffentlichung „In alter Frische“ erzürnte er sich jüngst über jene Kritiker, die sein erstes Album noch immer für sein bestes halten: „Das muss ja eine lange Talfahrt gewesen sein“, bekannte Kunze lakonisch. Die Talsohle ist nun erreicht. Jedoch, der Dichter weiß: „Die kommen alle immer schlimmer wieder.“ (Ariola) Max Gösche

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