Herbie Hancock – Possibilities

Stell dir vor, du bist Christina Aguilera, und der oberste „Headhunter“ ruft bei dir an: „Herbie hier, wollen wir ins Studio gehen und irgend etwas aufnehmen?“ Da sagt man nicht nein oder „was darf’s denn sein, und wo bleibt hier bitt’schön das Konzept?“ Konzept ist nicht: Herbie meldet sich bei allen, auf die er irgendwie neugierig ist. Mal sehen, was sich ergibt.

Im Fall Aguilera eine Attacke auf Leon Russels „Your Song“, als ginge es darum, Mariah Carey endlich mal zu zeigen, was powersinging ist. Viele der „possibilities“ verstehen das anything goes zum Glück lockerer, ohne die Beweisnöte eines Ex-Teenie-Idols. Paul Simon zum Beispiel singt „I Do It For Your Love“ und tut’s ganz diskret, als wär’s eine Jazzballade. Trotz dreifacher Schlagwerkbesetzung – Steve Jordan plus Cyro Baptista plus Jamey Haddad – wirkt hier nichts aufgesetzt: Herbie als Meister des Minimalismus.

Sting läßt sich einen coolen Groove für „Sister Moon“ vorsetzen und phrasiert grammyverdächtig. Feiner Kontrast, allemal ergiebiger als die Zusammenführung von Carlos Santana und Angelique Kidjo für eine bis aufs Hancock-Solo ziemlich brave Latin-Nummer. Umso anrührender, wie nahe sich Damien Rice und seine Mitsängerin Lisa Hannigan kommen, bei einer sehr intimen Version der Billie-Holiday-Ballade „Don’t Explain“. Und auch Annie Lennox bleibt Paula Coles „Hush, Hush, Hush“ kein Quentchen Aids-Tod-Tragik schuldig, ohne dabei dick aufzutragen.

Schmalzig wird’s nur bei Raul Midon, der endlich auf Stevie Wonder (Harmonika) trifft. Leider geht’s um dessen „I Just Called“ inklusive wabernder Synthie-Dramatik von Greg Phillinganes. Aber dies bleibt der einzige böse Ausrutscher, und die eigentlichen Knüller sind noch gar nicht erwähnt. Unbedingt chartsverdächtig der Funky-Einstieg „Stitched Up“, bei dem sich John Mayer (g, voc) und Herbie so gut verstanden haben, daß Mayer anschließend mit Hancocks „Headhunters“ auf Tour ging. Betont R&B-dirty, dies aber nach allen Regeln der Kunst: die Jung-Soulstars Jonny Lang und Joss Stone bei „When Love Comes To Town“.

Nach all diesem gediegenen Durcheinander, das sich anhört wie Zapping in einer Welt der besseren Radiostationen und seltsam sich häufenden Klaviersoli (nur daran erkennt man „Possibilities“ als Hancock-CD), klingt die Duett-Sammlung entspannt aus mit Mr. Headhunter und der Gitarre von Trey Anastasio. Hut ab vor Herbie. Wer ist mit 65 schon so vielseitig munter.

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