Hercules And Love Affair :: Blue Songs

Auf „Blue Songs“ sind von der ursprünglichen Besetzung nur noch Produzent und Songschreiber Andy Butler und Sängerin Kim Ann Foxman übrig. Dass einem nicht einmal Antony Hegarty wirklich fehlt, liegt an den drei Neuzugängen: den beiden Sängern Aerea Negrot und Shaun J. Wright sowie dem Produzenten Mark Pistel, der früher bei Consolidated und Meat Beat Manifesto deutlich härter zur Sache ging. Obwohl sich hier nun also insgesamt fünf verschiedene Sänger das Mikro reichen und es viele stilistische Facetten gibt, wirkt das Album dennoch sehr geschlossen. „Painted Eyes“ versucht mit schwelgenden Streichern und perkussiv getriebenem Rhythmus allerdings ein wenig zu offensichtlich, an „Blind“ anzuknüpfen. Das Stück wurde geschrieben für eine mobile Kunstausstellung von Chanel und trägt arg dick auf. Das folgende „My House“ klingt dann eher nach einem Gay-Club in Chicago: heftig im Unterleib pulsierendes Bum-Bum mit sexy Stotter-Sounds. Und eine so kunstvolle Disco-Nummer wie „Falling“ hätte Larry Levan 1979 sofort in der New Yorker Paradise Garage aufgelegt. „I Can’t Wait“ besitzt dann doch deutlich mehr Dreck und Dringlichkeit – als wäre die kleine Zeitreise, die Hercules and Love Affair durch die Geschichte der elektronischen Tanzmusik unternehmen, gerade in den Neunzigern angekommen. „Step Up“ wird gesungen von Bloc Partys Kele Okereke und erinnert ein wenig an den Elektro-Pop von Yazoo.

Das problematischste Stück des Albums ist der Rausschmeißer „It’s Alright“. Die Pet Shop Boys veröffentlichten bereits 1989 eine (wesentlich bessere) Version des Songs von Sterling Void als Single. Bei Hercules and Love Affair ist es Kim Ann Foxman, die zur Piano-Begleitung von Umweltzerstörung und „people under pressure on the brink of starvation“ singt, bis sie zu der Erkenntnis kommt, dass die Musik ewig spielt und die Quelle unseres Lebens ist. Kann sein, dass sich manche Menschen nach einer exzessiven Clubnacht zu solchen Plattitüden glücklich schluchzend in den Armen liegen. Aber das liegt dann sicher auch ein bisschen an den Pillen.

Insgesamt ist „Blue Songs“ ein sehr hübsches Album, gut geeignet zum Tanzen und Autofahren. Ein zweites „Blind“ gibt es allerdings nicht, und Wunderdinge sollte man von Hercules and Love Affair auch nicht mehr erwarten. (moshi moshi/Universal) Jürgen Ziemer

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