Hey Rosetta!

Seeds

Unter Schafen 06.04.2012

Das zweite Album der Kanadier Hey Rosetta! klingt beim ersten Hören vor allem nach einem: viel Arbeit. Mutig und außerordentlich fleißig scheint die Band um Sänger Tim Baker. Heulende Gitarren, seufzende Streicher, rhythmische Experimente, stimmliche Ausraster und psychedelische Chöre – das Sextett verzichtet auf nichts. Bakers Stimme nimmt sich den Raum, den sie braucht, die Produktion ist stets groß bis bombastisch, teilweise wird der Zuhörer vom Innovations-Overkill fast erschlagen. 

Doch nicht nur groß sind die Arrangements, sondern oft auch großartig. Leider kommt bei all den Sound-Tüfteleien manchmal der Inhalt zu kurz („I thought I was all alone/ but I am not“), aber mit ihrem Ideenreichtum sind Hey Rosetta! eine erfrischende Ausnahme unter all den genormten Indie-Bands. Doch schon bald stellt sich die Frage, ob nicht die wahre Mutprobe – und vielleicht der nächste logische Schritt der Band – die Reduktion auf das Wesentliche wäre. Die Angst, den Zuhörer zu langweilen, ist unbegründet, denn die Melodien wären stark genug für ein intimes Wohnzimmerkonzert. Also demnächst etwas mehr Verletzlichkeit statt alle acht Takte eine neue Idee? Dass sie das Potenzial dazu haben, beweisen Hey Rosetta! auf der Zielgeraden: Die letzten drei Songs,  „Young Glass“, „Welcome“ und „Seventeen“, strahlen im akustischen Kleid: wunderschöne Perlen im Arrangement-Ozean.