How I Knew Her :: Westcoast-Pop und Old-Time-Feeling von einer Missionarstochter

Die in Frankreich/Belgien sozialisierte Missionarstochter ist vermutlich die aktuelle Symbolfigur dafür, dass wir 1.) Musik heute eher sehen als hören, und 2.) Alben als potenzielles Mysterium auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Nach dem YouTube-Siegeszug ihrer Videosongs – auch mit Partner/Produzent Jack Conte als Pomplamoose – war es jedenfalls kein Problem, via Internet-Fundraiser mal eben gut 100.000 Dollar für die Finanzierung von „How I Knew Her“ einzusammeln. Das reichte für eine handverlesene Band mit Saitenallrounder Ryan Lerman (Ben Folds), Bassist David Piltch (k.d. lang) und Drummer Matt Chamberlain (Tori Amos) sowie ein Vintage-Studio vor der kalifornischen Haustür, in dem schon Tom Waits grummelte. Natürlich wurde auch ein „Making of“ gedreht. Und eine Liebhaberstück-Plattenfirma ist froh, jetzt auch noch ein paar Brocken einsammeln zu dürfen.

Das Gute an Nataly Dawn ist, dass „How I Knew Her“ auch dann noch schön klingt, wenn sie selbst nicht zu sehen ist. Ja, ihre aufgeweckte Stupsnasen-Präsenz würde womöglich im Weg stehen, wenn sie sich an diese drei guten Tage klammert, auf dem Weg „Back To The Barracks“. Oder – mit leichtem Fab-Four-Touch im Streicher-Melodram – mal eben die Lebensfrage „Why Did You Marry?“ stellt, wohl wissend, dass es oft keine Antworten gibt, wenn’s existenziell wird, wie im subtil forcierten Familiendrama „How I Knew Her“, das ihre Wandlungsfähigkeit als Sängerin ausstellt.

Die kommt Dawn auch sonst zwischen Old-Time-Feeling („Caroline“) und ganz viel kalifornischem Pop-Freigeist zugute. Ebenso wie ihr nicht immer subtiler Humor. Die Religions-Satire „Still A Believer“ zieht sogar die Oma zu klimperndem Honky-Tonk-Piano durch den Kakao vors Himmelstor, und „Even Steven“ wird mit einer veritablen Rockabilly-Dröhnung entsorgt. „Oh Steven, you’re not a man, you’re not even a boy …“

Am Schluss von „How I Knew Her“ steht dann aber doch einer dieser Solo-Songs zur Akustik-Gitarre, fast so, als wolle sich Nataly Dawn noch mal ihrer eigentlichen Basis, ihres natürlichen (Web-)Habitats versichern. „I Just Wanted You To Get Old“ ist die traurige Kehrseite der munteren Beziehungsposse „Please Don’t Scream“. Ein dickes Sorry, das wohl schon zu spät kommt. Anders als seine Sängerin, die sich hier viel älter anhört als sie aussieht. (Nonesuch/Warner) Jörg Feyer

Adam Ant

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