Jaguar Love
Take Me To The Sea
Matador
Durch eine absonderlich-bizarre Welt zerrt einen dieses Trio. Da verwandeln sich Menschen in Wolkenkratzer, Engel mit Fledermausflügeln flattern über den Pazifik, Sinfonien erblinden in der Wüste, während Liebende die Geräusche einsammeln, die Taxis machen, wenn diese in Häuser krachen. Leicht fällt es einem da nicht, mit den beiden ehemaligen Blood Brothers Johnny Whitney (Gesang, Klavier) und Cody Totolato (Gitarre, Bass) und J Clark (Schlagzeug, Bass, Keybard), der früher bei Pretty Girls Make Graves war, mitzuhalten. Es braucht ein Weilchen, um sich an das Überhastete, die Theatralik und die Exzentrik ihrer neuen Band Jaguar Love – und die hohe Stimme von Whitney – zu gewöhnen. Doch wenn man das erst einmal geschafft hat, erweist sich „Take Me To The Sea“ als ein wunderbares originelles Album.
Vom Opener „Highways Of Gold“ kriegt man erst mal nicht so viel mit, weil man den ersten Durchgang damit verbringt, in dem Chaos, das Jaguar Love in ihren Songs hinterlassen, nach Orientierung zu suchen. Bei „Bats Over The Pacific Ocean“ findet man sich dann schon ein bisschen besser in dieser wirren Welt zurecht. Whitney klagt zu einem hibbeligen Beat, dass er gerade vor die Tür gesetzt wurde und dass sein ganzes Zeug jetzt in der Sonne grau wird. Er singt von wilden Fotos seiner Mutter, von einem Trip nach Australien und davon, dass die Lügner die Welt beherrschen.
Seit Genesis‘ „The Lamb Lies Down On Broadway“ ging es auf einem Rockalbum selten so surreal und schizophren zu. Etwa in dem tolle Harmonien und Melodien verschwendenden „My Organ Sounds lik…“, in dem Whitney den Expressionisten mimt: „His organ sounds like clouds brushing against the moon on an ice crusted midnight“. Oder in „Jaguar Pirates“, das um ein mitreißendes Gitarrenriff gebaut ist: „I dreamt we made a record in the Congo / I dreamt of Hitler reborn as a quiet crow / I dreamt of futures so exhilarating.“
Und das von J Clark produzierte Album kann durchaus solchen lyrischen Fantasien musikalisch etwas entgegensetzen. „The Man With The Plastic Suns“ zum Beispiel konfrontiert eine pathetische Gitarrenmelodie mit überkandidelten Chören und einem penetranten Klavier. „Georgia“ gibt sich als eine pervertierte Breitwandballade zu erkennen, „Vagabond Ballroom“ arbeitet sich virtuos am Hardcore, „Humans Evolve Into Skyscrapers“ am Crossover ab, „Antoine And Birdskull“ übersetzt New Rave ins Bombastische und „Bone Trees And Broken Heart“ könnte Jaguar Loves verschrobene Antwort auf Soul sein. (Matador/Beggars)