JAZZ von Klaus von Seckendorff
Perkussions-Gewitter im Dschungel der Moog-Sounds: Schon mit „Crossing“ (1972) kündigte sich bei ^Iwandishi“ Herbie Hancock an, daß er zwei Jahre später die Jazz-Fusion revolutionieren würde: Seine HEADHUNTERS wirkten wie ultracoole Funk-Botschafter von einem anderen Stern. Kein Wunder, daß es schon seit Jahren Gerüchte zum Thema „Return Of The Headhunters“ (Verve) gab. Herbie hat mit dem Comeback nun sein eigenes Label Hancock Records gestartet. Obwohl er selbst nur bei vier von zehn Tracks die Originalbesetzung komplettiert, fehlt es nicht an den Keyboards (vor allem Billy Childs setzt Akzente). Bennie Maupins Baßklarinette und eine Komposition des Harvey-Mason-Nachfolgers Mike Clark sorgen dafür, daß die Kopfjäger auch abseits der Hauptpfäde heutiger Black Music pirschen. Fürs solide business as usual sind vor allem Kompositionen des Bassisten Paul Jackson zuständig. Spätestens dann lassen die Headhunters den Dschungel weit hinter sich und setzen als Personaljäger auf einen Gas trapper oder die Sängerin N’dea Davenport. 3,5
Wer wirklich Aufregendes auch von CHICK COREA kaum erwartet, den dürfte „Origin Live At The Blue Note“ (Stretch) positiv überraschen. Die neue akustische Besetzung mit gleich drei Bläsern, dem Bassisten Avishai Cohen und Drummer Adam Cruz bewegt sich im Hardbop-Umfeld ebenso eigenständig-souverän wie bei freien Passagen. Wie einst Return To Forever kann Origin subtil lyrisch agieren, aber auch mit draufgängerischer Experimentierlaune, komplex und doch nie abstrakt. Überraschende Stimmungswechsel werden von weiten Spannungsbogen zusammengehalten bei dieser interessantesten Corea-Musik seit langem. 4,0
Ob Walzer oder Tango, sanft Sperriges oder hymnische Harmoniefolgen: Unverkennbar nach CARLA BLEY klingt ihre „Fancy Chamber Music“ (ECM), von der Pianistin samt „Baß-Gatten“ Steve Swallow mit einem jungen Sextett klassischer Herkunft in Szene gesetzt. Der skurrile Charme dieser wunderbar entspannten Kammermusik dürfte sich so wenig abnutzen wie bei Carlas Opus magnum „£scdZator Orer The Hill“ (wegweisend nicht nur für die frühen Siebziger) oder ihren genial zwischen Pop-Appeal und Indien-Exotic angesiedelten „Tropic Appetites“ Von anno ’74 mit Julie Tip petts und Gato Barbieri – nun endlich auch auf CD (Watt/ECM). 3,5 ; beide Reissues: 3,5
Positiv zu verwirren weiß auch der Naked City-Keyboarder WAYNE HORWITZ mit seinem „4+1 ensemble“ (intuition/SCHOTT). So wie Mr. Tucker Martine hier als Mister „+1“ sein Electronic Processing höchst diskret untermischt, entwickelt sich das Repertoire fast unmerklich von freundlich-kammermusikalischer Verspieltheit auf ein feinsinniges Chaos zu, mit schrägen Improvisationen und Sounds. Absolut organisch wirkt auch die eigenwillige Besetzung-Keyboards aller Art, Geige, Posaune, keine Rhythm Section – bei dieser Neulanderkundung, die dem braven Avantgardisten als gar zu brav erscheinen mag. 4,0
Den Puristen des Jazz gibt der Trompeter DAVE DOUGLAS aus John Zorns Masada-Ensemble sicher manches Rätsel auf- aber auch jenen der traditionellen osteuropäischen Musik. Dabei hört sich sein wunderbares Quartett mit dem Geiger Mark Feldman, Akkordeon-Guru Guy Klucevsek und Tom-Waits-Bassist Greg Cohen an, als hätten alle vier ein Leben lang am Straßenrand Balkan-Melodien gespielt (was für Douglas sogar bedingt zutrifft). Hier wird kein U/4-Takt als World-Music-Gewürz ausgestellt, wird nicht clever fusioniert. „Charms Of The Night“ (Winter&Winter/edel) ist kunstvoll-improvisationsbetonte, sehr emotionale „Volksmusik“, so selbstverständlich gespielt, als wäre es der Blues. 4,0
Mit Stride-Piano, Hardbop, Latin und Blues überrascht URI CAINE nach seinen Mahler-Adaptionen und Wagner-Arrangements. So unbefangen individualistisch wie auf „Blue Wail“ (Winter&Winter) kann sich dem Mainstream nur ein Musiker nähern, dessen Horizont von der freien Improvisation bis zur Neuen Musik reicht. In gleich zwei aberwitzigen Solo-Versionen umklammert „Honeysuckle Rose“ die mit James Genus und Ralph Peterson inszenierten Kompositionen. 3,0