Jazz :: VON SECKENDORFF

Raffiniert: Der als eigenwilliger Folk-Gitarrist ein wenig in Vergessenheit geratene Leo Kottke hat nun als MARC DUCRET seine Inkarnation auch in der Avantgarde-Szene. Bei aller Lust an Clustern und anderen gewagten Reibungen isr „détail“ (Winter & Winter/edel) ein subtiles, fein impovisiertes Abenteuer zwischen Jazz, Folk, Neuer Musik. 4,0

Hemmungslos greift Kottke auch unter dem prominenten Decknamen RALF TOWNER zur Akustischen. Bei den ersten Titeln im quasi klassischen, von Bill Evans inspirierten Gewand kommt kein Verdacht auf. Aber wenn die Zwölfsaitige dran ist, hört sich „Ana“(ECM) an wie-ein subtil experimentierfreudiger Kottke 4,0

Ausgeschlossen sind alle kottkeschen Verwechslungen bei KARL RATZER. Seit den Siebzigern hat der Gitarrist im jazzbetonten Eck der Fusion-Szene nur selten die Aufmerksamkeit erregt, die er mit „Saturn Returning“ (enja) einmal mehr verdient. 3,5

Und dann das: „Guter Mond, du gehst so stille“ und rare Funde aus dem Freiburger Volkslieder-Archiv auf der CD des vielversprechendsten Kontrabassisten im Lande. Das DIETER ILG TRIO traut sich heran an „Folk Songs“ (Jazzline/EFA) aus deutschen Landen. „Im Märzen der Bauer“ gewinnt durch Rockabilly-Touch, und auch sonst ist die Arrangement-Kunst gefordert, wenn die „Maienzeit“ grooven soll. Ilg wagt und gewinnt viel im unkonventionellen Zusammenspiel mit Wolfgang Muthspiel (g), Benoit Delbecq (keys) und Steve Arguelles (d). 4,5

Daß es hierzulande an Bassisten mit Profil nicht fehlt, dokumentiert gleich zweifach die Edition Collage. Wenn HENNING SIEVERTS im Trio mit Peter O’Mara (g) auf „To Early For This World“ luftig-locker agiert, liegt das nicht nur in der Natur der Besetzung, sondern auch an dem Drummer Guido May, der weiß, wie man Musik zum Atmen bringt. Live tut er dieses auch in der Band von EUGEN APOSTOLIDIS. Bei dessen „Imaginary Directions“ aber trägt Gene Calderazzo dazu bei, daß die Kompositionen von Apostolidis und dem Saxophonisten Mike Sims sich abseits des Neotraditionalismus entfalten können. Beide: 3,5

Posaunisten tun gut daran, gelegentlich auch zur Muschel zu greifen. Auf dem nach Mupfelmusik-Mufti STEVE TURRE benannten Album (Verve) demonstriert er dies mit Kollegen wie Robin Eubanks und Frank Lacy. Die farbigen Arrangements reichen vom Schmachtfetzen über eher konservative Bigband-Sounds bis zu prominenter Percussion bei dieser Afro-Latin-Produktion. 3,5

Nach seinem Flirt mit Funk und Hip-Hop tut BILL EVANS etwas für die gefährdete Jazz-Credibility. „Modern Days & Nights“ (Double Time/sunny moon) hat als Runderneuerung diverser Songs von Cole Porter so manches für sich: Bills stets verführerischen Sopransax-Ton, das agile Baß-Spiel von John Patitucci, vor allem aber die Arrangement-Ideen des Pianisten Andy Laverne. 4,0

ADAM HOLZMAN, als musikalischer Leiter und Keyboarder ebenfalls ein später Miles-Mitstreiter; tat sich mit der Rhythmusgruppe von Arrested Development zusammen, um allen bloßen Virtuosen die Einsicht entgegenzusetzen, daß Power nicht den Groove killen muß und heavy nicht auf dumpf hinauslaufen. Nur ganz selten stört die alte Jazz-Rock& Funk-Starre „The BigPicture“ (EFA). 4,0

Bei CHRISTOP SPENDEL hat „The Art Of Solo Piano“ (Blue Flame/ ARIS) mehr mit Pop, Soul und Gospel zu tun als mit Hardbop und anderem No-Nonsensejazz. Das erinnert in den besten Momenten an den frühen Stanley Cowell, mündet aber häufig in der Biederkeit allzu gefälliger Klischees. 3,0

Richtig ärgerlich wird es jedoch, wenn ein ehemaliger Gigant des Tenorsaxophons wie GATO BARBEERI nach zehn Jahren Pause allerschlimmste Fusion-Sülze serviert und „Que Pasa“ (Columbia) auch noch wie zu aufrührerischen Zeiten den „third world people“ widmet. Offenbar zu jeder Schandtat bereit waren auch die Herren Dennis Chambers und Philippe Saisse. 1,0

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