Jewel – Goodbye Alice In Wonderland
Beim Timing griff Jewel Kilcher daneben. Ihr Album „0504“ warf sich vor drei Jahren mit elektronischen Tanztönen und einem lasziven Video zu „Intuition“ unnötig an die Pop-TV-Hälse. Dabei durfte damals zum Beispiel die Spears, als Miss Supersexy sowieso in bereits ausgetretenen Business-Spuren unterwegs, auch schon mit ihrer täglichen Dosis Spott auf dem Medien-Boulevard rechnen. Gänzlich kalkuliert wirkte „0304“ also und zugleich dem Chart-Geist peinliche drei Jahre hinterher. Sie habe wirklich nur eine „moderne Version des Big-Band-Klangs“ im Sinne gehabt, verteidigte sich die Songschreiberin aus Utah.
Mit Green Day-Produzent Rob Cavallo setzt Jewel nun jedenfalls für Nummer fünf den nächsten Neuschliff ihres Sounds an. Erneut eher Talmi oder diesmal doch wieder hochkarätiger und authentischer Stoff? Nützlich ist es hier vielleicht zu wissen, dass die 31-Jährige trotz ihres ziemlich dick aufgetragenen Selfmade-Girl-Appeals den vielen komplett synthetisierten Kolleginnen immer etwas voraus hat: kaum verschüttbares Talent, ein originäres Gespür für Melodien jenseits des Nächstliegenden. Und wenn Cavallo nur etwas weniger Studiobombast aufgefahren hätte und die Sängerin nicht gar so oft ihr quälend langsames Tremolo flattern ließe, hätte sogar was richtig Tolles gelingen können. Immer, wenn sie sich zurücknimmt, erreicht sie die Klasse von „Spirit“ (1998).
Wenn sie nicht mit dem vollen Volumen trompetet, weil sie es eben kann, wenn sie ihrer wandelbaren Stimme ihre manchmal sogar ein wenig kratzige Intensität lässt. Schön vergleichbar und kontrastreich ist das nachzuhören im exquisiten, resümierenden Titeltrack, im munter-nachdenklichen „Drive To You“ oder vor allem in „1000 Miles Away“. Überdurchschnittlich bleiben diese 13 Lieder im Spannungsfeld zwischen Dixie Chicks, Patty Griftin und Suzanne Vega jederzeit. Doch auf die Demos wäre man schon neugierig.