Jewel – Spirit

Sie sang „I’m Sensitive“ und daß sie das auch bleiben wolle. Sie sorgte sich um die Seelenrettung der anderen, statt sich nur den eigenen Nabel zu reiben. Jewel Kücher aus Homer, Alaska, war 1995 das sanfte Gegengift zum keifenden Racheengel Alanis Morissette. Und ähnlich erfolgreich: Ihr Debüt J’ieces OfYou“, im Prinzip weitgehend unredigierte Tagebuch-Exzerpte einer isoliert aufgewachsenen Eisprinzessin, die plötzlich dem Schock „Welt!“ ausgesetzt war, verkaufte nach langer Anlaufphase zumindest in den USA fast genausoviel wie JaggedLittlePiü“. Nach einem ersten, gescheiterten Anlauf zum zweiten Album hat sie nun ausgerechnet in Patrick Leonard einen Produzenten gefunden, der ihr, tja: sensibel entgegenkommt Der Madonna-Mann gibt Jewel Raum zum Atmen und Auskosten, aber auch einen Rahmen, der Uferloses unterbindet Eine Studiomusiker-Bande aus ein paar üblichen Verdächtigen steht ihm dabei zur Seite. Nur Bassist Flea (Red

Hot Chili Peppers), in „Barcelona“ im Einsatz, hatte man irgendwie nicht erwartet Dem Titel zum Trotz ist „Spirit“ weniger eine esoterische denn eine durchaus bodenständige Angelegenheit Und injiziert wieder Gift, nämlich, so JeweL „gegen alle Dinge, die mir in der Welt Sorge bereiten“. Ja, Trost liegt hier in der Luft und regnet dann auch herab in dicken Tropfen, die an unser Fenster klopfen. Aber mal ehrlich: Wer könnte davon nicht ab und zu ein bißchen gebrauchen? Dem „Fat Boy“, dem sie auf den Spuren von Rikkie Lee Jones posthum huldigt, hat das nichts mehr genützt: Im wirklichen Leben gab er sich dann doch die Kugel. Natürlich regnet es viele Platitüden und Gemeinplätze, die man eigentlich gar nicht mehr hören möchte. Schon Songtitel wie „What’s Simple Is True“ und „Innocence Maintained“ geben die Richtung vor. Irgendwann läßt sie sogar eine „new army“ aufmarschieren, „armed widi faith“. Und außerdem: Wir sind doch alle okay! Irgendwie. Das mögen Phrasen sein, die schwer erträglich und schwer verzeihlich sind. Aber werden sie nicht in rührender Unschuld verkündet?

Und so manche Phrase schluckt man auch, weiljewel Kilcher – im Gegensatz zu Ms. Morissette – wirklich singen kann. Rauh, fast verlebt wissend und dabei ziemlich sexy klingt sie etwa in „Down So Long“ und der potentiellen Hymne „Life Uncommon“, dann wieder läßt sie ihr kräftiges Vibrato einfach stehen und schwingen, als wolle sie mit den Engeln singen, die ihr gelegentlich in ihren Songs erscheinen. Wenn sonst nichts mehr hilft. 3,0

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