Jimmy Eat World :: Invention

Mehr Pop als Indie-Rock, doch die Amerikaner bleiben anständig.

Ganz am Anfang ihrer Karriere waren Jimmy Eat World eine Indie-Band. Nicht nur faktisch, auch im Geist gehörten die US-Amerikaner nicht in den Mainstream, sondern verbanden die klaren Melodien mit Härte und Kante. Der neue Rock! Doch dann gingen zwei, drei Platten durch die Decke, die Musik wurde formatiert. Schlimm? Nein, nicht sehr. Wohl verabschiedeten sich Jimmy Eat World ins Teenie-Lager, doch mit Anstand.

Das erste Lied auf „Invention“ steht auf kräftig geschlagenen Akustikgitarren und sinfonischen Streichern, das Lied hat etwas Gemeinschaftliches, Feierliches – wie ein Gegenentwurf zur düsteren Jugendverschwörungsmusik von 30 Seconds To Mars. Das folgende „My Best Theory“ rockt klassisch, wie hier überhaupt alte Werte in Form von 80s-Indie-Rock und U2-Anleihen eine Rolle spielen.

Doch die auffälligste Veränderung ist, dass Jimmy Eat World den Pop wichtiger nehmen als bislang. Eine Handvoll Lieder sind nur noch wegen der Gitarren dem Rock-Lager zuzuordnen, der Sound wird insgesamt mellow und gefälliger, aber auch großherziger. Jimmy Eat World lassen den College-Rock weiter hinter sich und nähern sich einer Art modernem AOR. Tatsächlich wird der Sound der Band auf diesem Weg dreidimensionaler – schon nach dem ersten Hören erscheint das Vorgängeralbum flacher, durchschaubarer. Anständig! (Universal) Jörn Schlüter

Of Montreal ***¿

False Priest

Mehr genial-abstruser Indie-Pop der netten Spinner aus Georgia

Nach den schrillen Vorgängern sollte man gewarnt sein. Trotzdem bringen einen Of Montreal auf „False Priest“ schon nach drei Sekunden aus der Fassung, wenn mit sie einen „I Feel Ya‘ Stutter“ überrumpeln, das so überkandidelt ist, als ob sich David Bowie einen Disco-Hit der 70er-Jahre vorgenommen und sich 10cc als Sidekicks ausgesucht hätte.

„False Priest“ ist der ideale Soundtrack für Menschen mit ADS – und vielleicht sogar das Album, das Prince gern gemacht hätte. Im durchgedrehten Pop-Kosmos von Of Montreal bekommt jedenfalls keiner die Chance, sich zu langweilen – so schnell, wie sich schrullige Sounds, zappelnde Grooves und ulkige Melodien abwechseln. Dazu erzählt Kevin Barnes von Zombies, die an Fenstern lecken, oder Menschen, die sich mit Wolken oder Spielplätzen verwechseln. In der surrealen Welt der Band aus Athens, Georgia, gibt es Platz für wirren Glamrock („Coquet Coquette“) und heftigen Funk („Like A Tourist“), wehmütigen Pop („Famine Affair“) und Discoschwindeleien („Girl Named Hello“), Zugedröhntes („Godly Intersex“) und Absurdes („Casuality Of You“).

Und dass die Band bei aller Verrücktheit ein Gespür fürs Geschäft hat, zeigt sich darin, dass sie sich gleich zweimal die schwer angesagte Janelle Monáe als Gastsängerin ausgeborgt hat – in „Our Riotous Defects“, Barnes‘ Lamento über eine verrückte Liebesgeschichte, sowie im widerspenstigen „Enemy Gene“, das Monáe mit einem hymnischen Refrain zähmt. Und in „Sex Karma“ locken Of Montreal sogar Beyoncés Schwester Solange ans Mikro, um mit dem R’n’B zu flirten. Man war ja gewarnt. (Polyvinyl/Cargo) Gunther Reinhardt

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