JJ 72
Vor längerer Zeit rief die britische Musikpresse einmal die so genannte New Grave-Bewegung aus, zu der sie unter anderen auch Bands wie Mansun, die Manie Street Preachers und Suede zählte. Hier vermählten sich Pop-Appeal und ein gepflegter Hang zur Düsternis. Während Mansun und die Manics auf ihren letzten Alben zu überzeugen wussten, ist es zumindest Zeit für die „neuen Suede“ geworden.
Kein Wunder, denn deren „Dog Man Star“-Zeiten sind unwiderruflich vorbei: Bei der „Head Music“-Tour zelebrierte Brett Anderson vornehmlich aufdringlichen Schwanzrock, während er die Zuschauer fortwährend zum Mitklatschen animierte und sein Mikro in die Menge hielt Dazu knödelte er dann „I say: Aaaahaaaah!“ oder „Whaaahaah“, bis die Ohren bluteten. JJ 72, ein Trio aus Dublin, sehr jung und mit einer Bassistin unterwegs, die vor ihrem Band-Einstieg noch nie einen Bass in der Hand hatte, vermeiden wohlwissend derlei Manierismen, denn sie haben auf ihrem gleichnamigen Debüt die besseren Songs vorzuweisen: Bereits „October Swimmer“ und „Oxygen“ bestechen durch sinistren Charme und ein beachtliches Hit-Potenzial. Der Vergleich mit den frühen Suede ist freilich nicht von der Hand zu weisen, doch manchmal sind es sogar Achtziger-Größen wie a-ha, die man aus den zwölf Bekenntnissen von Sänger und Gitarrist Mark Greaney heraushören kann. Besonders im Mittelteil von JJ 72″ wird vielleicht ein bisschen zu viel geschwurbelt, doch in Songs wie „Snow“ oder dem abschließenden „Bumble Bee“ ist das Potenzial für wirklich großes Songwriting, das bei JJ 72 im Moment noch von der altbekannten Laut-Leise-Dynamik lebt, bereits zu erkennen. Ein bisschen überdreht und schrill wirkt das alles, ohne dass Pulp oder Garbage dabei herauskommt.
Es bleibt allerdings zu befürchten, dass man sich hier zu Lande für Mark Greaney, Hilary Woods und Fergal Matthews ungefähr so viel interessiert wie für deren Seelenverwandte Gene oder Geneva: nämlich überhaupt nicht. Und doch gibt es immer noch einige, für die eine solche Form des Eskapismus lebensnotwendig ist. Und die anderen? Weiter Reamonn hören.