Joe Ely – Twistin’In The Wind :: MCA/Universal
Abgesagte Tourneen, havarierte Busse, Verletzungen zur Unzeit – dermaßen fühlt sich Joe Ely vom Pech verfolgt, daß er sich neben seiner Musik ein zweites finanzielles Standbein geschaffen hat. Ab bildender Künstler. Seine Collagen, Skizzen und Skulpturen bringen bereits vierstelllige Dollarbeträge, wie eine Ausstellung neulich in Austin, Texas gezeigt hat Darin eifert Ely seinem alten Flatlanders-Compadre Butch Hancock nach, doch während der seine Musikproduktion konsequent privatisiert und von seinem Outpost in Terlingua aus allein kontrolliert, versucht Joe Ely auch weiterhin mit den Big Boys zu spielen, feilscht um Recording Budgets und Tour Support, hofft auf anständige Verkäufe. Diesmal womöglich nicht umsonst.
„Twistin’In The Wind“ ist ein im guten Sinne kommerzielles Album, auf halbem Wege zwischen Springsteen und Texas, zwischen Mainstream und No Depression. Die Songs, sonst nicht unbedingt Elys Stärke, haben fast durchweg Klasse (na ja, es kommt schon mal vor, daß sich „guillotine“ auf „answering machine“ reimt), die Arrangements setzen auf mehr Tex-Kolorit ab letzthin, die Produktion feilt alle Kanten ab, läßt aber die Hochglanzpolitur im Schrank. Der entscheidende Unterschied zu Elys LP-Output der letzten zehn Jahre liegt indes in der Entmachtung von David Grissom, dessen rockistische Gitarreneskapaden oft genug zu Lasten der Songs gingen. Zwar ist Grissom hier und da noch mit von der Partie, doch spielt die Hauptrolle an den sechs Saiten kein Geringerer als Jesse „Guitar“ Taylor, ein Berg von einem Mann, ein Bär von einem Gemüt, ein wahrer Meister seines Fachs. Taylors Fretboard-Künste und die im Mix leider zu sehr integrierten Steel-Licks von Lloyd Maines setzen den besten Tracks, allen voran „I Will Lose My Life“ und „Behind The Bamboo Shade“, Glanzlichter auf und machen den Novelty-TexMex goutierbar, sowohl das lyrisch recht hübsche Texas Tornadoes-Wegwerfstückchen „Nacho Mama“ als auch den reichlich albernen Closing Track „If I Could Teach My Chihuahua To Sing“.
Und Ely hat noch ein heißes Eisen im Feuer: Die Flatlanders-Reunion mit Butch Hancock und Jimmie Dale Gilmore gilt als ausgemachte Sache, mit oder ohne Steve Wesson. Amtlich.
WOLFGANG DOEBELING