Joe Henry – Civilians :: Ein großes amerikanisches Album vom sprachmächtigen Produzenten

Schon Anfang der Neunziger schrieb Joe Henry Songs, die in ihrer Sprachmächtigkeit an Elvis Costello und in ihrer Genauigkeit an die Beobachtungen aus der Vorstadt von John Cheever erinnerten. Über die Jahre entwickelte er sich aber vor allem zu einem meisterlichen Produzenten. Davon profitierten nicht nur die Alben von Solomon Burke, Jim White, Elvis Costello und Allen Toussaint, sondern auch und vor allem seine eigenen Werke. Der dichte, manchmal die Kakophome streifende und doch wohlige Sound, zu dem Henry die Tonspuren von Meistern ihrer Fächer wie Brian Blade, Mark Ribot, Bred Mehldau, Ornette Coleman, Don Byron und Jim Keltner verwob, machte den Reiz von „Scar“ und „Tiny Voices“aus.

Auf „Civilians“ habe er nach dem Bunuelschen-Chaos von „Tiny Voices“ lyrisch und klanglich klarer und deutlicher werden wollen, sagt Henry. Dazu holte er sich mit den Gitarristen Bill Frisell und Greg Leisz zwei Sachverständige für geschmackvollen Wohlklang, die einen auch schon mal gemächlich in den Schlaf spielen können. Doch Henry arrangiert sie wie Instrumente, setzt sie zusammen mit dem dritten Gast Van Dyke Parks vor einer Kulisse aus angedeuteten Streichern, zurückhaltender Rhythmusgruppe, Orgel und Klavier sparsam und wirkungsvoll in Szene.

Das klingt zuweilen so vermeintlich gemütlich wie Lambchop und so traditionsverliebt

wie eine Jack-Frost-Produktion (Sie wissen schon, der Song-&-Dance-Man). Genau die richtige Szenerie für den Erzähler Joe Henry, dessen Protagonisten so amerikanisch sind wie Harry Angstrom oder Frank Bascombe.

Das fantastische „Our Song“ etwa erzählt, wie einer einmal in einem Heimwerkermarkt in Scottsdale, Arizona auf die Baseball-Legende Willie Mays trifft und zwischen den Regalen lauscht, wie dieser über den Zustand seines Heimatlandes lamentiert. Genialisch entspinnt sich eine Betrachtung über den nie erfüllten amerikanischen Traum, vor dem auch eine mythische Figur wie Mays in die Knie gehen muss. Diese Meta-Americana dient als Wendepunkt des Albums. Hier ändert der Erzähler die Perspektive, hält nicht länger Amerika den Vexierspiegel vor, sondern schaut nach innen. Und landet am Ende zum vom Besenschlagzeug umspielten Schlussakkord zwangsläufig bei der Liebe, der Vergänglichkeit und in „God Only Knows“ schließlich beim Herrgott – und Brian Wilson. Beide dürren natürlich nicht fehlen auf einem großen amerikanischen Album wie diesem.

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