Joe Satriani

Engines Ot Creation

Doch noch Überraschungen vom kühlen Gitarren-Techniker

Joe Satrianis Equilibristik auf den sechs Seilen klang immer schon etwas technoid: kühl und kopflastig, kalkuliert und ohne rechtes Sentiment. Kleine Gitarren-Logeleien für Arithmetik-Freunde waren das, von einem

Neunmalklugen aufs Blatt geworfen, ohne Schweiß und Tränen. Blut sowieso nicht, er hat ja keins. Bisweilen bekam man auch dieses ungute Gefühl nicht weg, dass seine Kompositionen das papierne Medium gar nicht unbedingt hätten verlassen müssen. Schaut doch mal die vielen Noten und wie sie auf den Linien tanzen, sieht doch gut aus!

Und seitdem er sich mit scheißcooler Sonnenbrille und Intellektuellen-Glatz‘ dem Silversurfer, der das Frontcover seines 86er Erfolgsalbums „Surfing With The Alien“ ziert, auch optisch irgendwie angenähert hat – ähm, weiß ich jetzt auch nicht, was seitdem ist, jedenfalls stand so ein herzloses High-Tech-Album, das er uns mit „Engines Of Creations“ just beschert hat, beinahe zu erwarten. Wie Jeff Beck auf seinem letzten Streich „Who Else“ merkwürdige Korrespondenz eigentlich! spielt er mit Sequenzern, HipHop-Grooves sowie Drum’n’Bass-Sperenzchen; freilich auch mit einem Gitarrensynthesizer, der nicht nur die obligatorischen Stratosphärensounds, mithin gepflegtes Science-Fiction-Ambiente hinzugibt, sondern durchaus auch raubauzige Riff-Patterns, die nur so metallisch glänzen und dann endlich mal den Druck haben, den man so oft vermisste. Nachgerade mimetisch klingt die Synthaxe etwa bei JBorg Sex“: Dieser ins Akustische transzendierte Kampf zwischen Holz und Computer, Natur und Intellekt hat etwa denselben hybriden Charme wie Seven-Of-Nine, das scharfe Ding vom Raumschiff Voyager.

Und als ob das immer noch nicht anspielungsreich genug wäre, turnt Satriani zwischendurch in höchsten Höhen herum – er pfeift sich eins in atonaler Ekstase. „Devil’s Slide“ ist auch so ein Glücksfall. Wenn da die Arpeggios wie flüssiger Stahl durch die futuristisch-triste Wolkendecke des Songs regnen, wenn Sechzehntel-Unisonos von Gitarre und Drumcomputer wie Hammerschläge Luzifers herniederkrachen, dann hat die Zukunft bereits angebrochen, und sie verheißt nichts Gutes.

Bemerkenswerterweise lassen diese industrialisierten und am Bildschirm designten Soundlandschaften mehr Passion und Ehrgeiz erkennen als die eine melodiös-balladeske Klangmalerei in der klassischen Trio-Besetzung („Until We Say Goodbye“), die sich noch aus dem letzten Jahrtausend hinübergerettet hat und auch sogleich als Single-Auskopplung herhalten muss (augenscheinlich um eine konservativere Käuferschicht nicht gänzlich zu verprellen). Man kennt diese falsche Gefühligkeit noch (vgl. etwa „Cryin“ 1 vom 92er Album „The Extremist“), und man kennt auch noch die Enttäuschung, wenn sich die hoffnungsvoll erwartete Gänsehaut partout nicht einstellen will. Leider gehen Satriani am Ende die Ideen oder Disketten aus, bei „The Power Cosmic 2000 – Part II“ etwa plagiiert er dreist Melodie-Muster aus dem zweiten Stück, „Flavor Chrystal 7“. Und die letzten beiden Tracks schnuckeln so vor sich hin, auf einer enervierend-eintönigen Rhythmus-Basis. Ansonsten aber, alle Achtung! Wenn er so weiter macht, wird er noch Zukunftsminister der Gitarrenrepublik auf seine schon recht alten Tage.