John Carter Cash – Bitter Harvest :: AGR/UMIS
Wer wollte ihm diesen Titel verdenken? Es war ja nicht nur der Verlust von Mutter und Vater innerhalb weniger Monate. Kaum annoncierte John Carter Cash sein Albumdebüt, hieß es, der Sohn wolle doch nur die Gunst der schweren Stunde nutzen, um ein bisschen mehr Publicity für sich und seine Veröffentlichung zu kreieren, als normal drin gewesen wäre. Woraufhin er entgegnet, seine Familie sei dem großen Schmerz gemäß der Maxime seiner seligen Mutter schon immer mit einem entschlossenen „Weitermachen“ am besten beigekommen. Und dass Johnny zehn Tage nach dem Tod von June schon wieder im Studio war. Und, bitteschön, was ist schon „normal“ für den einzigen Sproß einer auch verklärten Ikone?
Vielleicht nach Jahren der kleinen Gast-Rolle, nach ersten Meriten als Produzent, ein Album wie dieses, das John Carter Cash doch als nicht ganz so „talentarm“ erscheinen lässt, wie ihn Wolfgang Doebeling in seinem Nachruf auf den Vater charakterisierte. Aber das bezog sich ja auch auf einen Auftritt vor gut 15 Jahren. Gewiss, „Bitter Harvest“ changiert als Album stilistisch unausgegoren zwischen Rock, Folk, Country, und hätte wohl auch gut einen anderen Produzenten vertragen als den Mann selbst. „Remain Cahn“ bleibt leider gar nicht ruhig, sondern macht halbgar auf Prog-Rock. Carter Cash besingt explizit das „Loch Ness Monster“, ein Feuer auf Jamaica, und kryptisch „Only A Dream“.
Und doch berührt es, wie da einer versucht eine, seine Stimme zu finden, die ihre Herkunft mit zwei A.P. Carter-Traditionals (darunter „The Way-Worn Traveler“ als Duett mit dem Vater) nicht verleugnet und doch etwas anderes daraus machen möchte. Was das sein könnte, scheint in der Empathie für eine gewisse „Carmen“ durch, der nur noch die Erinnerung bleibt. Oder in der flotten Bürgerkriegsschnurre „Crumblin‘ Rock Of Dixie“. Und gleich im flirrenden Auftakt mit späterer Reprise inklusive Gastrolle für Sohn Joseph: Als „Mongolian King“ wünscht sich unser Protagonist in die Parallelwelt des Zirkus, wo er sich glatt in die schöne Schlangenfrau vergucken darf. „She has her eye on the King“, singt John Carter Cash mit einer Stimme fern der des Vaters. „Yeah, she knows my painted face, but she does not know my name.“ Schön wär’s.