Johnny Cash

The Legend

Sony 2005

Wir erinnern uns an die Anthologie „Love/God/Murder“ mit dem vergleichsweise anspruchsvollen, thematisch streng gegliederten Ordnungsprinzip. Damit waren vor ein paar Jahren und vor dem Tod Johnny Cashs bereits alle Topoi erfaßt, ganz ohne die „American“-Reihe, deren erste Alben Columbia aus Untreue gegenüber einem seiner größten Künstler verpaßt hatte.

Nun erscheinen 104 Songs in dieser 4-CD-B0X mit dem rauhen Charme der „Das war sein Leben“-Sendungen düngen. Cash hätte Verständnis dafür gehabt, daß die erste CD apodiktisch „Win, Place And Show – The Hits“ betitelt wurde, in welchem Kontinuum auch immer „The Matador“ ein Knüller war, eine mexikanisch inspirierte Erzählung mit billigen Trompeten, wie sie Lee Hazlewood später gern fabulierte.

„Ring Of Fire“, „Orange Blossom Special“, ,A Boy Named Sue“, „Folsom Prison Blues“ — you name it. Je spartanischer die Begleitung, desto existentieller das Lied. Komische Saxophone und Lokomotiv-Harmonikas ausgenommen.

Platte 2 konkretisiert „Old Favorites And New“, darunter z.B. „Cry, Cry, Cry“, „Cocaine Blues“, Bruce Springsteens „Highway Patrolman“, „Get Rhythm“, „Five Feet High And Rising“, „Big River“, „Dark As A Dungeon“ sowie „The Big Light“ -Songs also, die ähnlich monolithisch sind wie das Monument Valley.

Etwas mutwillig werden diese Stücke unterschieden von denen des „Great American Songbook“ auf CD 3 — „Delia’s Gone“, „In The Jailhouse Now“, „Waiting For A Train“, „Casey Jones“, „The Legend Of John Henry’s Hammer“, „I’ve Been Working On The Railroad“, „Sweet Betsy From Pike“ oder „The Streets Of Laredo“. Dieses Songbook scheint mir zwar nicht größer und amerikanischer zu sein als die vorangegangene Sammlung, ist aber wahrscheinlich älter.

Schließlich grüßen „Family And Friends“, und natürlich hat sich neben der Carter Family, neben Dylan, Bono, Waylon Jennings. Ray Charles und der Nitty Gritty Dirt Band auch Elvis Costello eingeschlichen, mit „We Ought To Be Ashamed“. Es gibt noch einmal „Highwayman“, jenen Song von Jimmy Webb, nach dem sich Willie Nelson, Kris Kristofferson, Jennings und Cash in einer weniger glorreichen Phase ihrer Karrieren benannten. Damals, um 1990, stand das treue Publikum von Truck Stop in den viel zu großen deutschen Hallen. Johnny Cash war so cool und angesagt wie John Wayne in „The Shootist“. Vier Jahre später war er der Erfinder der amerikanischen Musik.

Rave on, Johnny, rave on.