Johnny Cash

The Soul Of Truth

Der religiöse Cash als Interpret von Gospel-Songs

Im Jahr 1967 legte sich Johnny Cash in eine Höhle, um zu sterben. Seine Drogensucht und die Scheidung von seiner ersten Frau Vivian Liberto hatten ihm zugesetzt; das Leben des Country-Stars war außer Kontrolle geraten. Aber als er da so lag, fiel ihm auf, dass er seinen Todeszeitpunkt nicht zu bestimmen hatte – er würde sterben, wenn Gott die Zeit für gekommen hielt.

Obwohl Johnny Cash als Rebell und Schwerenöter berüchtigt ist, schlugen immer zwei Herzen in seiner Brust. Ja, er war der Rockstar des Country, trotzdem gab es immer den ehrfürchtigen, den gläubigen J. R. Cash. Sein Wunsch, Sänger zu werden, wurde von seiner Mutter gestärkt, die in einer Kirche angeblich zu ihm sagte: „God’s got his hands on you, son. Keep on singing.“ Und schon bei seinem ersten Vorsingen im Hause Sun Records versuchte er Sam Phillips mit Gospelsongs zu beeindrucken. Dieser erkannte zwar Cashs Talent, wollte von Lobeshymnen auf den Herrn aber nichts wissen. Auch in seiner späteren Karriere kämpfte der Künstler immer wieder mit Plattenfirmen um Budgets für seine Country-Gospel-Platten. Die kommerziell erfolgreichsten Werke Johnny Cashs behandelten natürlich andere Themen, aber er ließ nichts unversucht und brachte in jeder seiner Shows mindestens eine Gospel-Nummer unter.

J. R. stammte aus einer Baptisten-Familie, zu Hause dröhnte ausschließlich Gospel aus dem silbernen Küchentisch-Radio. Diese Lieder waren tief in ihm verwurzelt – die Cashs stammten aus dem sogenannten „Bible-Belt“ – dem tiefgläubigen Süden der USA. Cash sah sich selbst als Sünder, und wenn er Phrasen wie „Satan can’t make me doubt“ oder „I’ve got Jesus and that’s enough“ aus tiefster, verstaubter Lunge singt, weiß man: Er spricht zu sich selbst, singt gegen seine Dämonen an. Bad Boy und Gospel: Man kennt das von Elvis Presley.

„The Soul Of Truth“ (Bootleg Vol. IV) beschäftigt sich in 51 Tracks auf zwei CDs ausschließlich mit dem Thema Glauben. Songs vom Album „A Believer Sings The Truth“, Outtakes diverser Sessions, Bonus-Tracks und Songs eines komplett unveröffentlichten Albums: Diese Sammlung fasst religiöse Aufnahmen der Jahre 1975 bis 1982 zusammen. Wie viele Cash-Platten, ist auch diese Kollektion eine Familienangelegenheit: Die Schwägerinnen Anita und Helen Carter, die Töchter Rosanne und Cindy und natürlich die unvergleichliche June Carter-Cash helfen mit.

Manchmal rezitiert Cash mit großem Pathos zu kitschigen Streicher-Arrangements, und Frauenchöre, die Leonard Cohen vor Neid erblassen ließen, jaulen dem Hörer ins Ohr. Und wenn er „The Greatest Cowboy Of Them All“ singt, bleibt eine Frage nicht aus: Meint der das ernst? (Sony) Jacqueline Blouin