JOHNNY CASH & WILLIE NELSON – VH1 Storytellers :: American Recordings/Sony

Nach MTV Unplugged jetzt also VH 1 Storytellers. Keine üble Idee (und beileibe keine neue): Zwei Hocker, zwei Mikros, zwei lebende Legenden, die in entspannter Atmosphäre aus ihrem Song-Fundus schöpfen und Zwiesprache halten, Geschichten erzählen. Spontane Interaktionen, erleuchtende Diskurse, bizarre Anekdoten, verwegene Neuinterpretationen kanonisierter Songs, ungeahnte Tiefen, geistreiche Komik, die Magie des Augenblicks. Im Idealfall, selbstverständlich.

Ein paarmal, jedoch viel zu selten werden diese Möglichkeiten hier realisiert. „Hello, I’m Johnny Cash„, sagt das eine Monument. „Hi, I’m Willie Nelson“, grüßt der andere. Die Stimmung stimmt, von Anfang an herrscht unverkrampfte Kameraderie und Kumpanei. Die ersten Tracks verheißen Großes. „Ghostriders In The Sky“ gehen sie gemeinsam an, doch schon bald wechseln sie sich nur noch ab, streng paritätisch. Das zeitigt schöne, aber gänzlich unspektakuläre Ver-sionen unsterblicher Favoriten, und enttäuscht, weil man die so schon unzählige Male gehört hat – manchmal schwächer, oft genug stärker. Allein „Worried Man“, „Flesh And Blood“ und „Drive On“ sind wirklich überzeugend, alles Cash-Songs, die gewinnen, weil Willie in glänzender Spiellaune ist. Seine Gitarre verleiht den Tunes frischen Swing und sorgt für Überraschungsmomente. Während Nelson erfreulich fokussiert singt und spielt, steht Cash zwar nicht gerade neben sich, wirkt aber stellenweise kraftlos und ohne rechte Konzentration. Womöglich eine Folge seiner Krankheit, derentwegen er, wie man hört, seine Karriere wohl über kurz oder lang an den Nagel hängen muß. Ein Jammer.

Schade auch, daß das Publikum zu der Sorte gehört, das sich selbst applaudiert, wenn es einen Song erkennt (spätestens beim Refrain). Andererseits birgt „Storytellers“ auch die eine oder andere erquickliche Schnurre. Zum Feixen komisch etwa Cashs Reminiszenz an jeden Tag, als er mit Bob Dylan „I Still Miss Someone“ zum Besten gab, und seine Bobness „I wonder if she’s sorry for leaving me so undone“ quengelte, wo es doch heißen muß: „for leaving what we’d begun“. Allemal unterhaltsamer als ein Album der durchlauferhitzten Highwaymen, die ja zur Hälfte immerhin von Willie und Johnny verantwortet werden müssen.

Willies Humor, sonst trocken wie Wüstensand, wirkt streckenweise eingeübt.

Unfreiwillig komisch ist der Verweis auf sein Reggae-Album, das zwar schon Vorjahren aufgenommen, bis heute aber nicht veröffentlicht wurde. Unfreiwillig traurig seine Ansage: „I wrote a song called ‚Family Bible‘ one time…“ Die Credits auf dem Cover weisen indes die Herren Breeland, Grey & Buskirk als Verfasser aus, an die Nelson den Klassiker einst für 100 Dollar verscherbeln mußte.

Das Beste hier ist der Rapport, ist die gelassene Heimeligkeit im Studio vor Publikum. Und das läßt sich nur bedingt vom Fernsehen auf Tonkonserve übertragen. So ist „Storytellers“ nur als Souvenir zu empfehlen von einer sehenswerten TV-Show.

WOLFGANG DOEBELING

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