Jon Spencer Blues Explosion – Now I Got Worry :: Mute/Intercord
Gäbe es ein Buch mit dem Titel „Die Kultur der USA in Klischee und Wirklichkeit“, dann fände sich auf Seite 148 das Stichwort „American Diner“: Neonlicht und Zigarettenqualm (seh den 90er Jahren nur noch Neonlicht). Die Frau hinter der langen Theke („Dolores“, verrät das Plastikschild) schenkt Kaffee nach. Free refill. Aus der Jukebox quält sich der Blues. Und der Kauz am Thresen schreit: „It’s an explosion!“ Sein Name: Jon Spencer. Zusammen mit Russel Simins und Judah Bauer bildet er seit sechs Jahren und vier Platten die Jon Spencer Blues Explosion. Sie wissen verdammt genau, warum sie den Blues im Titel tragen. In seinen Variationen und Mutationen findet sich ein genauso fetter Brocken US-Kultur wie in eben diesen Diners. Die schnappt sich die Blues Explosion zusammen mit einem halben Jahrhundert elektrifizierter Musik und reißen alles in Fetzen. Die wiederum ergeben aneinandergereiht Songs, die die Drei-Minuten-Grenze nicht überschreiten. Das reicht, um alles zu sagen.
Gleichzeitig teilt verzerrter Gesang der „Alternative nation“ mit, das Nine Inch Nails diesen Verfremdungseffekt nicht für sich gepachtet haben. Nein, die Dekonstruktion von Songs mittels Lärm hat Spencer schon in den 80er Jahren bei Pussy Galore vorexerziert. Und in der Zeitspanne, die gängige HipHop-Scheiben für die „I’m the baddest motherfucker“-Ouvertüre verwenden, hat die Blues Explosion mit dem Punkrocker Jdentify“ bereits Song No. 2 rausgerotzt. Was aber nicht heißt, daß man sich nicht auch mit HipHop beschäftigen und dessen Beats interpretieren könnte. Simins Schlagzeug rumpelt und scheppert dabei chaotisch-souverän. Spencer und Bauer reißen ihre Saiten durch New York Noise und süden ein Stückchen Country-Blues.
Fernab aller umständlichen Theoriebildungen gilt: Die New Yorker schaffen sich, schwitzen, haben Spaß und hauen mächtig auf den Tanzboden. Und etwas anderes hat Rock ’n‘ Roll doch nie gewollt. Oder, Dolores?