Jon Spencer :: Year One
Neue Editionen der Werke von Jon Spencers Blues Explosion
Um die Druckwelle der Jon Spencer Blues Explosion wirklich zu spüren, bedurfte es mehr als das bloße Hören ihrer Alben. Spencers Geifern, Croonen und Singen kam stets dann am besten, wenn man ihm live beim Abreißen der Bühnenkilometer zusah, staunte, wie er sich krümmte und um sein Instrument wand – und wie er sich das Stabmikro für die besonders gutturalen Laute tief in den Rachen schob. Ein Song wie „History Of Sex“ kam nur dann wirklich an, wenn man Zeuge einer dieser Jon-Spencer-Mikrofon-Blowjobs war.
Über die Jahre bekam man Jon Spencer dann irgendwie ein wenig über, was sich ändern könnte, wenn man sich nun noch einmal mit diesen Re-Releases befasst, die fast sämtliche Songs aus der Entstehungszeit der jeweiligen Alben zusammenbringen. Denn hier wird sie noch einmal spürbar, die Energie, die losbrach, als Jon Spencer begann, seine „James Brown goes Punkrock“-Attitüde auszuleben.
„Year One“ (++++) ist ein Brocken: 38 Songs aus zwei Sessions, eine mit Steve Albini eingespielte, in der auch die erste Single „Shirt Jac“ entstand, und eine mit Mark Kramer, bei der 14 Songs in drei Stunden runtergerissen wurden, und man sich nach Spencers Eigenaussage „gar nicht mit dem Mixing Board befasst“. Es gibt aufgeräumtere Songs als diese, Alben, die eher als solche funktionieren, aber gerade das Rohe, Hemmungslose, das hörbare Fehlen jeglicher Banddisziplin bringt das Debüt dem Bandnamen am nächsten.
„Extra Width“ (+++) ist die erste Mogelpackung, die uns Spencer unterjubelte, denn hier ist es oft eine Funk-Explosion oder ein stilistisches Freidrehen, das sich kaum noch in einer Schublade verorten lässt, was aber nicht wirklich stört, wenn es noch Songs wie „History Of Lies“ und „Afro“ gibt.
Jegliche Retrovorwürfe wurden dann durch „Orange“ (+++1/2) entkräftet, wo sie das betreiben, was Pitchfork so treffend „genre-fucking“ nannte, was sich auch in den beigegefügten Remixen von Moby, GZA und Beck zeigt. Das Album spaltet die Fangemeinschaft in jene, die sich nicht mit Funk-, Disco-Schmalz und Jam-Session-Muckertum abfinden wollen – und jene, die gerade dieses Aufbrechen zu neuen Ufern schätzen.
Auf „Acme“ (++++), das mit Steve Albini und Dan The Automator gleich zwei Produzenten aufbringt, stimmen die Verhältnisse dann wieder, und Jon Spencer bringt das Update der so wuchtig gestarteten Blues Explosion, das die Nostalgiker und Puristen ebenso überzeugen konnte wie die Verehrer von „Orange“. (shove/Soulfood)
Daniel Koch
Yello +++¿
Yello By Yello – The Anthology