Jonathan Jeremiah

Gold Dust

Island/UID/Universal

Sich ganz demonstrativ in der Verygangenheit zu bedienen, ohne nur wie eine angefledderte Seite aus dem Geschichtsbuch zu klingen – diese Übung beherrschte der Londoner Sänger und Songschreiber mit dem eindringlichen Bariton und dem Faible fürs ganz große Streicher-handwerk im vergangenen Jahr auf seinem Debüt „A Solitary Man“ ziemlich gut. Und wenn deutsche Film­komödienschaffende von Buck bis Schweighöfer Jeremiah-Songs wie „Happiness“ und „Heart Of Stone“ auch auf die Leinwand brachten (oder zumindest in ihre Soundtracks), wusste man nie so genau, wo die Ironie aufhörte und das kulturelle Missverständnis anfing.Jonathan Jeremiah macht mit „Gold Dust“ jedenfalls auch beschwingt da weiter, wo er aufgehört hat, präsentiert sich aber mit dem Bacharach’schen Swinger „Lazin In The Sunshine“ samt frecher Tuba nur einmal so auffällig eingängig, dass es wieder für eine Komödie (oder einen Werbespot) reichen könnte. Ohnehin wirkt der bärtige Brite auf Gute-Laune-Pop-Terrain eher unterfordert. Seine stärkste Disziplin – als Songschreiber, Sänger und Arrangeur – sind diese halbschattigen, gut beobachteten Charakter-/Milieu-Stücke wie „Everday Life“ und „Chatsworth Ave“, die sich aus verhaltenen Anfängen kunstvoll aufschwingen, bis Gitarrenmotive, Streicher, Bläser, Schlagwerk als ein großer Klangkörper umeinander wirbeln. Und dann sind da noch diese kleinen, feinen Songs, die man vor lauter orchestralem Aplomb fast überhören könnte, aber auf keinen Fall sollte. „Shout“ etwa, ein munteres Liebeslied aus leicht pastoralem Folk, und für „Forever Shall Be Ours“ – eher stilles Gebet als Song – sitzt Jeremiah auch nur mal so am Klavier. Zwischendurch bleibt ihm mit Banalitäten wie dem schnöden Eskapismus von „All We Need Is A Motorway“ oder dem allzu naheliegenden „Time Of Our Lives“ auch schon mal kompositorisch die Luft weg. Und das Pathos eines „Fighting Since The Day We Are Born“ zerrt an der Schmerzgrenze. Andererseits: Ist es nicht gerade auch diese ungeschützte Feierlichkeit, die einen Jeremiah-Song wie „You Save Me“ so unwiderstehlich macht?