K.D. Lang – Drag :: WEA

Lange ist es her, die Lebenserwartung war wohl niedrig, aber die Stimmung gut. In kleinen Clubs sangen ausgemergelte Interpreten mit blutunterlaufenen Augen Lieder über die Untiefen der Lust und die Freuden der Morallosigkeit. Jeder Sänger rauchte während der Show zu einer Flasche Whisky zwei Schachteln Zigaretten, das war gut fiir die Stimme. Und die Lebenserfahrung. Das Publikum begann den Abend ebenfalls kurz vor Mitternacht mit einem Pack Kippen und einer Handvoll Gimlets, die Augenringe von gestern waren überschminkt, die Zukunft so fern wie der Sonnenaufgang, also etwa ein Dutzend Drinks und 100 Gramm Nikotin.

Und heute dagegen? Braungebrannte Mobilphon-Multiplikatoren prosten sich mit Selters zu, knabbern an einem Rucola-Blatt, müssen dann aber leider gehen, weil es schon spät ist (22.15 Uhr), außerdem raucht da hinten jemand, zwölf Tische weiter zwar, aber man weiß ja nie: Krebs. Raucherbein. Lunge kaputt. Arm ab. Hirnfäule. Rauch in den Kleidern. Solche Leute werden „Drag“ von k.d. lang nicht mögen.

Obwohl die Kanadierin ein Album über das Rauchen gemacht hat, obwohl sie in elf Cover-Versionen die vermeintlich harmlose Zigarette als fünften Reiter der Apokalypse zu enntlarven scheint: Wenn sich die Liebe in Jane Sibberys wunderbarem „Ain’t It Funny“ als leer und sinnlos erweist, ist der Glimmstengel dabei, wenn sie in „Don’t Smoke In Bed“ stirbt, natürlich auch. Sowieso ist Rauchen nur ein anderes Wort fürs Sterben, ob nun langsam und mühselig in „My Old Addiction“ oder bis zur Besinnungslosigkeit betäubt in „Your Smoke Screen“. Und wenn dann mal alles stimmt, das Leben, die Liebe, die Welt, dann erklingt der Hollies-Hit „The Air That I Breathe“, dann heißt es da so schön und tröstlich: „I don’t need no cigarettes.“

Dennoch ist das siebte Album der 35jährigen keineswegs lustfeindlich. Ganz im Gegenteil: Dies ist reiner Hcdonismus. Warm und rund rollen das Besenschlagzeug und der Baß durch die weichen Rhythmen, hell und leicht erklingt die Steel-Gitarre, elegant und geschmeidig ziehen Saxophon und Trompete dahin. Und über allem schwebt Katby Dawn Längs Stimme, pure Sinnlichkeit, wie eine Berührung mit dem Handrücken, eine langsame, lange Nacht, ein erster Sonnenstrahl am frühen Morgen, ein Sonnenaufgang über einem neuen, großen Horizont.

k-d. lang hat es geschafft, sie wollte kein Cowgirl mehr sein, nun ist sie eine große Entertainerin in der Tradition von Giganten wie Frank Sinatra oder Roy Orbison, die wie sie von der Lust am Leben sangen, aber auch von deren Schattenseiten. Die Zigarette ist ihr dabei nur Symbol für Hingabe und Sehnsucht; der Schluß-Song „Love Is Like A Cigarette“ faßt es zusammen: Man verliert sich im Rauch wie im Rausch oder in der Liebe, und das ist gut, denn das ist der Flirt mit dem Glück unter Kenntnis des Desasters.

Deshalb, kein Zweifel, gibt es auch so viele Songs über Zigaretten. Oder auch über Alkohol. Aber keine über Handies, Seiter und Salat.

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