Kaizers Orchestra – Evig Pint
Na gut, es gibt Turbonegro. Aber Musik aus Norwegen ist überwiegend eine Angelegenheit für deprimiert aus dem Wollpullover guckende Seelchen. Große Gesten, Schwermut, Theatralik, immer sind die Lebensumstände grau und der Sänger irgendwie schwer verstört Doch natürlich hören wir das alles sehr gern! Mit Schwermut und grenzwertigen Gedanken haben Kaizers Orchestra dagegen nur textlich zu tun. Die wahnwitzigen Speed-Polka-Achterbahnfahrten durch Gott, Blut, Sex und Zauberei haben Feuer unterm Hintern und veranlassen ein ausgelassenes Gehüpfe.
Denn hier geht es fast durchweg zur Sache; hier wird geschunkelt, getanzt und getrunken. Kein Festzelt-Geprolle freilich, sondern ein einziges musikalisches Durcheinander aus Walzer, Rock und Country und circa einhundert anderer Genres. Tom Waits trifft betrunkene Russen. Man stellt sich folgendes dazu vor: Bärtige Menschen, die beispielsweise Ragnar heißen und viel Wodka im Blut haben, fuhren ungestüme Tänze auf und schlafen im Suff ein. Am nächsten Morgen haben sie Gliederschmerzen, versiffte Kleidung und einen Kater. So eine Musik ist das.
Nicht nur „Di Grind“ zitiert Madness nebst verhaltenen Ska-Anleihen und schmissigen Orgel-Soli. Drei oder vier solcher Stücke sind dann auch durchaus belebend, aber irgendwann nervt das brachiale Sound-Wirrwarr doch erheblich. Gemächlichere Stücke wie „Min Kvite Russer“ schaffen eine willkommene Verschnaufpause, sind aber letztlich verzichtbar. Einzig das mehr als acht Minuten lange, zum Ende nur noch von einer Violine getragene „Drom Hardt (Requiem Pt 1)“ berührt dann doch auf seltsame Weise. Und zwar so sehr; dass wir unser Gesicht schnell im Wollpullover vergraben.
Doch zurück zum ansonsten vorherrschenden Irrwisch-Klang der Norweger: Vor „Evig Pint“ unbedingt noch die Peel-Sessions der Ukrainians hören. Wer danach noch Luft hat, braucht keine Krankenversicherung mehr und hat ein bewundernswertes Nervenkostüm.