Kanye West

Ye 

Der HipHop-Visionär irrlichtert in 23 Minuten zwischen Genie und Wahnsinn, nur diesmal ohne Perfektion und Vision

Eine bipolare Störung ist kein Spaß. Aber bei Kanye West führt sie immerhin zu unterhaltsamen 23 Minuten. So kurz nämlich hat der 41-Jährige sein jüngstes, achtes Album gehalten, sieben Tracks sind darauf. Und das Cover ziert der Schriftzug „I ­hate being/ Bi-Polar/ it’s awesome“.

Man konnte ja schon immer den Eindruck haben, dass bei Kanye West Genie und Wahnsinn nah beieinanderliegen – ikonisches Bild für seine Mischung aus Größenwahn und Larmoyanz wurde ein ROLLING-STONE-Titel mit Dornenkrone von 2006. Ein paar Jahre später nannte er sich Gott.

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„Ye“ beginnt mit einem Geständnis von Selbstmordgedanken. Aber weil Kanye/Yeezus/Ye sich mehr liebt als das adressierte Gegenüber, denke er daran, dieses umzubringen. Angesichts der dummen Relativierungen von Sklaverei im Frühjahr und seiner Tweet-­Umarmung Donald Trumps („We are brothers“) klingt er hier immerhin fast sympathisch. In „Yikes“ erzählt er davon, wie beängstigend er seine Zustände empfinde, um sie sogleich „keine Krankheit, sondern Super­kräfte“ zu nennen und sich selbst zum „Superhero“ zu verklären.

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Nun bestehen jedoch in der Manie als super empfundene Aktivitäten nicht unbedingt strengere Qualitätstests. „Ye“ wirkt wie ein flüchtiger, skizzenhafter Überblick. Es gibt durchaus Feines, man hört Soul-Samples und melancholische Elektromomente, brummende Störbässe und gospelnde Beulen. Aber daneben gibt es halt auch plumpe Breaks, ziellose Dynamikwechsel und ein schlimmes RockHop-Riff.

Wenn er nicht von den Superkräften berichtet, dann beharrt er in den Texten trotzig auf seinen Entgleisungen, bejubelt den Po seiner Frau, Kim Kardashian, und feiert ihre Brüste, weil sie Beweis seien, dass er sich auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren könne – um dann der gemeinsamen kleinen Tochter zu wünschen, sie möge besser nicht Kims, sondern seinen Körper bekommen, weil die Welt so machohaft sexualisiert sei.

Er irrlichtert also wie gewohnt, nur fehlt es dem sonst so perfektionistischen und visionären Mann hier deutlich an Perfektion und ­Vision. (Universal)