Kathy McCord – New Jersey To Woodstock
Eine Entdeckung: das Album mit Barock-Folk aus dem Jahr 1969 Anne Briggs war eine Legende in Eingeweihten-Zirkeln, als ein Columbia-Manager in London sie dazu überreden konnte, erstmals ein richtiges Album aufzunehmen. Vashti Bunyan war zu dem Zeitpunkt kaum mehr Geheimtipp, sondern fast schon vergessen. Die amerikanische Kollegin Kathy Mc-Cord war nicht mal mehr das, sondern blieb nach ihrer einzigen, 1969 für das CTI-Label aufgenommenen LP die nächsten Jahrzehnte selbst für Folk-Freaks nur ein Gerücht.
Das nur in Amerika in kleiner Auflage veröffentlichte Album liegt jetzt sorgfältig ediert auf diesem Set wohl vor allem auch deswegen erstmals wieder vor, weil Ms. McCord auch als Pionierin des immer noch aktuellen „Freak-Folk“ gilt. Die Plattenfirma bezeichnet es jedenfalls im Kleingedruckten auf dem rückseitigen Cover als „cult folk-psych classic“. Was zunächst mal um so kurioser erscheint, als Folk Music gar nicht die erste große Liebe der kleinen Kathy war.
Wie Billy Vera in den Liner Notes erzählt, hatte er seine kleine Schwester jahrelang mit Platten von Dylan und Beatles, Janis Joplin und Peter, Paul and Mary, The Band, Taj Mahal und Tim Hardin versorgt, bevor sie – gerade mal 17 – ins Studio ging und dort ihre LP aufnahm. Ms. McCord erinnert sich in ihren eigenen Notizen, dass Van Morrison, Kinks und Hollies zu der musikalischen „Diät“ jener Jahre gehörten, aber auch Motown und Memphis Soul, John Hammond jr.“ Dusty Springfield und James Brown. Worauf man kaum kommen würde, wenn man die Platte hört. Denn da nutzten die ihr an die Seite gestellten Profis auch schon mal die Gelegenheit, über ihre zunächst verträumt vorgetragenen Folk-Melodien zu Acid-Jazz-Improvisationen überzugehen und sich an einigen ziemlich unerhörten Mixturen zu versuchen. Das Barock-Folk-Pop-Arrangement von „She’s Leaving Home“ etwa (die Beatles-Vorlage bei ihr in „I’m Leaving Home“ umgetitelt) war abgefahrener und origineller als das, was The Left Bänke aus der Four Tops-Vorlage „Walk Away Renee“ gemacht hatten. Ein Song wie „Candle Waxing“ ist zwar ohne den Einfluss von Joni Mitchell und Tim Hardin schwer vorstellbar. Aber mitsamt dem komplexen Arrangement zeichnete sich diese Folk-Jazz-Fusion durch einen ganz eigentümlichen Charme aus. Neben den Jazz-Cracks sorgte John Hall an der Gitarre für exquisite wie einfühlsame Begleitung.
Letztlich kann man diese Sängerin nicht wirklich in der Psych-Folk-Schublade ablegen: In Sachen Torch Song war sie so firm wie auf Folk-Territorium. Bisweilen erinnert sie auch sehr angenehm an das warme Timbre des Alt von Karen Carpenter. Schon bei den beiden 1968 für eine Single aufgenommenen Songs – Zugaben auf der ersten CD – debütierte sie mit einer gewissen an Dusty Springfield gemahnenden Klasse (bei „I’ll Never Give My Heart To You“) und mit „I’ll Never Be Alone Again“ mit melancholischerem Girl Group Pop.
Billy Vera hat recht, wenn er in den Liner Notes bemerkt, die Stimme der kleinen Schwester habe sich bei den Sessions durch die „raw, naked vulnerability of a talented teenaged girl in high angst“ ausgezeichnet. Nur konnte Creed Taylor zwar George Benson auf seinem Jazz-Label verkaufen, nicht aber jemanden wie Kathy McCord.
Von den Aufnahmen der zweiten CD war „Baby, Come Out Tonight“ der erfolgreichste Song: Den nahm Dolly Parton für ihr Album „Here You Come Again“ auf. Bei diesen „Woodstock Sessions“ begleiteten sie befreundete Musikanten wie Rick Danko, Levon Helm und Richard Manuel (aka The Band), der große Bobby Charles, Paul Butterneid und Maria Muldaur. Etwas ratlos darf man sich nach den erstmals hier veröffentlichten 16 Aufnahmen auf CD 2 fragen, wieso sie nicht zumindest als Songschmied für andere eine gefragte Adresse wurde.