Keziah Jones – Black Orpheus :: EMI

Afrosurrealismus ist der Begriff, den sich der Künstler selbst oder sonst wer für die neue Musik von Keziah Jones ausgedacht hat, und, ehrlich, das ist ein gutes Wort. Auf seinem vierten Album definiert der aus dem nigerianischen Lagos stammende Gitarrist und Sänger das eigene Koordinatensystem endlich vollends, und heraus kommt eine Musik, die tatsächlich einzigartig ist Jones vermischt das yorubanische Folk-Erbe mit dem perkussiven Gitarrenspiel des selbst erfundenen blufunk, freigeistiger Jazz-Metaphorik und einem unbändigen Willen zur Abstraktion, wenn schlichte Akkorde zum Ausdruck nicht reichen wollen. Alles hier muss sich der Intuition des Künstlers beugen, jedes spirituelle Drängen in passende Klangkorsetts, jedes Flehen zu seinem Ton, koste es, was es wolle.
Wenn nun einer so voll ist von Kunstkraft, dann gelingt ihm alles und ist alles erlaubt, und so darf das um schlurfende Hendrix-Akkorden gebaute „Neptune“ dauernd von einer absurden Tonfolge unterbrochen und das Blues-Lick von „Afrosurrealism for the ladies“ von einer Bassklarinette gedoppelt werden. Selbst der fast zappaesk atonale, schwer erarbeitete Unsinn von „72 Kilos“ ergreift. Hören Sie bloß mal diese akustische Gitarre!
Das alles ist dabei gar nicht halb so schwierig, wie man angesichts des künstlerisch hochwertigen Balanceakts vermuten würde. Jones steht narrensicher auf dem selbst gebauten Schiff und umsegelt alle Klippen der Manieriertheit, Prätention und kreativen Verzettelung mit schwindelnder Leichtigkeit. Das entspannt sehnsüchtige „Beautiful Emilie“, das hypnotisch-sinnliche „Wet Questions“ und das zwischen Gitarrengroove und Prince-Harmonie schwankende „All Praises“ sind wunderbar fließende Songs, die sich auch ohne Kenntnis von des Künstlers Motivation leicht lieben lassen. Afrosurrealismus? Ein wirklich gutes Wort.