Kid Rock :: Born Free
Provokant konservativer, pseudo-humanistischer Southern Rock
Nein, er könne nicht übers Wasser wandeln, gibt Kid Rock an, im neuen Stück „Care“, mit dem er auf der Demokraten-Demo von Jon Stewart und Stephen Colbert alle zum Weinen gebracht hat. Auch den Krieg könne er nicht beenden, die Armen nicht speisen, die Obdachlosen nicht beherbergen. Kann er nicht? Eigentlich sollte auf dem Zwölf-Hektar-Anwesen bei Detroit doch noch Platz sein für ein paar Bedürftige, in der Villa in Nashville, im Seehaus am Torch Lake. Aber nein: „The least that I can do is care!“ Das Mindeste, was man tun kann, ist: dass einem nicht gleich alles egal ist. Na super. Eine zynischere Pseudo-Humanismus-Hymne hat man lange nicht gehört.
Da mochte man den „American Bada$$“-Kid mit Unterhemd und Schrotgewehr ja fast noch lieber. Sein neues Album bewirbt er jedenfalls damit, dass erstmals kein „Parental Advisory“-Sticker draufkleben muss und, neben Produzent Rick Rubin, unbescholtene Größen wie Indie-Held Matt Sweeney und Petty-Heartbreaker Benmont Tench edle Musik für ihn machen. Gerade deshalb beweist diese satte, provokant konservative Southern-Rock-Platte ja auch mustergültig, wie der Stumpfgeist ihres Schöpfers Kid Rock am Ende auch den redlichen Gehilfen den Glanz abjagen kann. Eine Feier der sorglosen individuellen Freiheit, der Sonnenuntergänge mit kleinen Bierflaschen, der am Autopolster abgewischten Fettfinger, des erheblich geschwollenen Kamms. Wer mehr erwartet, hat recht. (Warner) Joachim Hentschel