Kim Richey – Rise: Die große Kunst des Loslassens, versponnen und unfassbar zart :: LOST HIGHWAY

Darf ich aus dem Nähkästchen plaudern? Okay. Der Autor dieser Zeilen hatte nämlich vor gut zehn Jahren das unverschämte Glück, Kim Richey lange vor ihrem Plattendebüt bei einem Nashville-Showcase ihres Verlags erleben zu dürfen. Schon damals war jedem klar, der nicht taub und blind ist, dass diese humorvolle Blondine „a cut above the rest“ ist.

Aber dass der Schnitt dann so groß, sprich: Kim Richey gleich so gut und dann noch besser werden würde, war doch nicht abzusehen. Dir viertes Album lässt sich dabei wunderbar als Gegenpol zum zweiten interpretieren. War „Bittersweet“ 1997 ein kräftiger Klaps auf die Schulter (und manchmal auch ein Schlag ins Gesicht), dann gleicht „Rise“ einem sanften Strich über Wange und Nacken. Der ja nahe liegt, wenn hier fast ausnahmslos die große Kunst bzw. Unmöglichkeit des Loslassens verhandelt wird. „I turn west, another road begins“, schließt Richey gleich zum Auftakt als „Girl In A Car“.

So einfach ist’s natürlich nicht immer. Doch Richey wandte sich tatsächlich mit Verve gen Westen. Was allein schon daran abzulesen ist, dass Bill Bottrells Musikerkollektiv Co-Credits für mehr als die Hälfte der 13 Songs bekommt Der Produzent (Sheryl Crow, Shelby Lynne) kreiert ein oft versponnenes, aber nie in nur beliebige .Atmosphäre“ abdriftendes Klangbild, organisch, kompakt, direkt und doch voller Details, die sich erst mit der Zeit erschließen.

Zu empfehlen ist besonders die süperbe Trilogie in der Mitte des Albums mit „WithoutYou“, „Reel Me In“ und „No Judges“. Aber man kann auch vorn anfangen oder hinten oder gleich mit einer Breitseite Trost („Good Day Here“) oder mit dem zauberhaften Nostalgie-Anfall „Electric Green“, der Pete Droge eine unverhoffte Renaissance als Co-Autor/Duett-Sänger bringt. Und Chuck Prophet hat auch mal ausgeholfen („This Love“).

So, und jetzt brauche ich-frei nach dem frühen Steve Earle auf Townes‘ „At My Window“-Album – nur noch einen prominenten Kaffeetisch, auf dem ich mich für Kim Richey ganz weit aus dem Fenster hängen kann. Der von Shawn Colvin oder Mary Chapin Carpenter sollte es aber mindestens sein.

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