Kiss :: Sonic Boom

Kiss blamieren sich nicht, bleiben aber ein paar Brüller schuldig.

Gibt es eigentlich noch jemanden außer Chuck Klosterman (und mir!), der dem neuen Kiss-Album entgegengefiebert hat? Naja, was heißt schon gefiebert, aber ein bisschen erwartungsvoll oder schaulustig war man doch. „Psycho Circws“, das letzte reguläre Studio-Album mit neuem Material, ist schon über zehn Jahre alt, und das ging gar nicht mal voll in die Hose. Dafür aber Paul Stanleys obszön schmierige Soloproduktion „Live To Win“ vor drei Jahren.

Es wäre also wieder mal ein positives Signal fällig. Und entschieden handgemeiner geht es auf „Sonic Boom“ denn auch zur Sache, dafür sorgt schon Gene Simmons, dem man sicherlich einiges absprechen kann, aber nicht das große Herz für grundstumpfen Schweinerock. Man trägt auch wieder Kriegsbemalung, obwohl die Ur-Mitglieder Peter Criss und Ace Frehley einmal mehr gegen richtige Musiker, Eric Singer und Tommy Thayer, ausgetauscht worden sind. Zu Recht. Anders als der Lethargiker Criss hat Singer auch noch in den typisch verschleppten Groove-Nummern genügend Punch. Thayer hingegen ist ein mit allen Wassern gewaschener Stilmimetiker. Er muss die nichtswürdige Frehley-Kopie spielen, also macht er das – nur artikulierter, bundreiner und doppelt so gut, um das mithörende Original zu beschämen.

An ihnen liegt es also nicht, dass die Kiss-Historiographen dermaleinst dieses Album im ohnehin schon ziemlich stark besetzten Mittelfeld situieren werden. Es fehlen schlicht die Brüller. Der Opener „Modern Day Delilah“ geht in die richtige Richtung, hat Verve, eine hübsche Klimax, bleibt dann aber auf halbem Weg stehen. Da fehlt der Chorus-Hook, der alles klar machen würde. „All The Glory“ ist noch so ein Anwärter. Eric Singer macht den Ringo, intoniert so rührend unbedarft, dass es fast schon schön ist, und anschließend spielt Thayer das größte Frehley-Solo aller Zeiten. Wer zwischen den Noten lesen kann, der hört, wie er sich dabei kaputtlacht.

Der Rausschmeißer „Say Yeah“ lässt dann noch mal aufhorchen, hier scheint alles zu stimmen – bis auf den Umstand, dass Stanley den dräuend heranwalzenden Erkennungsriff von Springsteens „Radio Nowhere“ geklaut hat. Drei Songs, das reicht nicht mal für die Kiss Army zum Sattwerden. Und die ist spartanische Marschverpflegung durchaus gewohnt.

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