Kritik „Ghostbusters Legacy“: Ghostbusters im Kornfeld? Die gehören in die City!

Retro-Spaß, der Eltern mehr gefallen wird, als ihren Kindern. Bill Murray quält sich, Sigourney Weavers Einbindung wirkt verschämt

Der Artikel enthält Spoiler, auch über das Ende des Films.

Eine „Legacy“, das „Vermächtnis“, wird meistens an die Kinder weitergegeben, aber so, wie es eben nicht die Kinder sind, die heute mit „Ghostbusters“-Playmobil spielen, sondern die Eltern, so hat auch „Ghostbusters Legacy“ das Problem, dass er für Eltern und Kinder gemacht sein soll, aber nur Eltern interessieren dürfte, die in den 1980er-Jahren Kinder waren. Dies ist ein Fan-Service-Film für die Großen. Sowohl dem Laser-Bannstrahl, als auch der Geisterfalle und Ghostbusters-Limousine werden epische Einsätze geschenkt. Nur, welchen Teenager soll diese Detailtreue (jedes Klicken in der Waffe erhält nun einen eigenen Sound-Effekt) heute noch begeistern? Es gibt ja Marvel und „Stranger Things“. Und Helden tragen heute keine muffeligen Overalls mehr, sie tragen fantasievolle Kostüme, die ihre Muskeln betonen.

Die „Stranger Things“-Generation soll mit der Besetzung Finn „Mike Wheeler“ Wolfhards abgeholt werden, aber diese Generation ist gerade durch die Netflix-Retro-Serie längst Härteres gewohnt als der Anblick der hier versammelten Geister (wobei die Monster-Hunde für Jump-Scares sorgen und die  Marshmellow-Männer bei ihren grauenerregenden Suiziden auch noch lachen – beide Kreaturen hätten ihre eigene Serie verdient). Wolfhard ist die meiste Zeit als inkompetenter Autofahrer zu sehen, ihm zur Seite steht seine klügere Schwester Phoebe (Mckenna Grace), sowie, dieses Stereotyp gab es zuletzt bei den „Goonies“ in den 1980er-Jahren, ein asiatischer Junge (Logan Kim), der sich als Technikexperte und Datenheini herausstellt.

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Jason Reitman, Sohn des originalen „Ghostbusters“-Regisseur Ivan, ist ein Kleinstadtfilmer. Seine zwei besten Arbeiten, „Juno“ und „Young Adult“, handeln von Menschen, die sich in Umgebungen bewähren müssen, die ihnen zu beengend sind, seine ästhetischste, „Labor Day“, spielt auf einer Farm. Die Ghostbusters sind bei ihm deshalb nicht in New York, sondern in einem Kaff in Oklahoma unterwegs. Natürlich hat auch das Kornfeld im Horror eine Tradition. Aber die Geisterjäger gehören nicht ins Kornfeld, sie gehören in die City. Auf dem Land leben die Guten, die Träumer, die „Nomadland“-Leute, die von Arbeitslosigkeit berichten; selbst die Dorfteenager erzählen schon vom Mangel und wirken beim Feiern verzweifelt. Aber wenn die verarmte Mutter (Carrie Coon) über den verstorbenen Vater und Geisterjäger Egon Spengler (Harold Ramis) sagt „er hat sich nie für mich interessiert“, dann trifft diese Einschätzung auch das Problem des Films ganz gut. Spenglers nerdige Experimente, Gadgets und Erforschungen des Jenseitigen sind eben viel interessanter und wichtiger als die Probleme innerhalb der eigenen Familie. Kein Wunder also, dass Spengler flüchtete, zum Eremiten wurde.

Die schlechten Menschen, die, die das Unheil durch Geister verdient haben, leben in den Metropolen. Ray Stantz‘ (Dan Aykroyd) Lamento über die gute alte Zeit spricht einem aus der Seele: Es waren die Ronald-Reagan-Jahre der 1980er, die Ära Ed Kochs als Bürgermeister New Yorks, die eine Daseinsberechtigung für die Ghostbusters schufen. Der Big Apple drohte zu Verfaulen, die Kriminalitätsrate in Manhattan erreichte jedes Jahr zuverlässig neue Höchststände, Ron Jeremy lief durchs Bild, und es war nicht ganz eindeutig zu beurteilen, ob die Kreaturen aus der Hölle wirklich übler waren als die Menschen, die in dem Moloch hausten. In „Ghostbusters 2“ wird New York gar von einem widerlichen Schleim unterspült – die Stadt ist eine Jauchegrube. Vielleicht stammen deshalb einige der aufregendsten New-York-Filme aus jener Dekade.

Wer sagt’s Murray?

Ich weiß nicht, wie es jugendlichen Zuschauern ergeht, aber als Erwachsener, der in den 1980er-Jahren Kind war, zählt man ziemlich schnell die Minuten bis zum Auftritt der verbliebenen, ursprünglichen Ghostbusters Stantz, Peter Venkman (Bill Murray) und Winston Zeddemore (Ernie Hudson, der im ersten „Ghostbusters“ nicht eine einzige Nahaufnahme erhielt). Murray galt über Jahre als Wackelkandidat, sah keine Notwendigkeit für ein Venkman-Comeback. Als Schauspieler hat Murray sich verändert, aber nicht zum Guten. In den „Ghostbusters“-Filmen bis hin zum „Groundhog Day“ (1993) verkörperte er den zappeligen, lustigen „Saturday Night Live“-Murray, aber seit seiner Oscar-Nominierung 2001 für „Lost In Translation“ und dem vermeintlichen Durchbruch als „Charakterdarsteller“-Komödiant, zementiert durch Jim-Jarmusch-Rollen, spielt er nur noch den Murray-Murray, also sich selbst. In „Zombieland“ trat er gar als „Bill Murray“ auf und tat so, als wäre er untot. Er ist ein Meta-Man geworden, einer, der klüger sein will als die Figuren, die er darstellt, und das zeigt er durch Müdigkeit, die nicht mal vortäuscht, Lässigkeit zu sein. Es ist ihm anzusehen, dass er einfach keine Lust mehr hat auf grauen Overall und Laser-Tornister. Das gealterte Geisterjäger-Trio bewegt sich im ganzen Film keine zehn Meter vom Fleck.

Die Konfrontation mit der Dämonin Gozer müsste eigentlich eine Einladung zur Comedy-Improvisation für Murray sein, denn das Monster ist dafür wie geschaffen: Gozer greift keine einzige Frage auf, stellt höchstens selbst welche und macht dramatische Ansagen – „bist Du bereit für den Tod?“ Es gibt wenig Komischeres als zwei Gesprächspartner, die voller Selbstbewusstsein ihren Stiefel durchziehen und aneinander vorbeireden. Murrays Venkman aber klopft immer noch dieselben Sprüche wie 1984 („was wären wir doch für ein tolles Paar gewesen“). Ein wenig mehr Pathos, mehr Mut zum Camp hätte nicht geschadet. Hätte Regisseur Reitman den „Ghostbusters“-Song nicht wenigstens dann einspielen können, als die Geisterjäger zum Finale erstmals in Erscheinung treten? Das hat er sich, bei aller Retro-Liebe zum Original seines Vaters, dann eben doch nicht getraut. Die Melodie landet im Abspann. Wenn es nach mir geht, hätte Reitman Ray Parkers Jr.s Melodie jedesmal bringen können, sobald das Plasmagewehr oder der Automotor angeworfen wird.

Apropos tolles Paar, apropos Abspann: Die Reunion wäre nicht komplett ohne Sigourney Weaver. Die Entwicklung ihrer Figur war jedoch schon im zweiten „Ghostbusters“ ein Jammer. Darin verkommt Dana Barrett zur Hausfrau und geplagten Mutter eines Säuglings. Während ihr Ex-Mann Venkman auf Geisterjagd geht, muss sie das Baby in Schach halten. Eine derartige Rollenverteilung wäre heute zum Glück nicht mehr vermittelbar. Aber das kann Weaver, die in den drei Filmen vor „Ghostbusters 2“ Ellen Ripley, Diane Fossey sowie eine Wall-Street-Geschäftsfrau spielte, schon 1989 nicht gefallen haben. Jason Reitman weiß nichts mit ihr anzufangen, verfrachtet sie verschämt in eine Post-Credit-Szene. Auch das fällt unter „Fan-Service“: Man erschafft Kinobesuch-Anreize durch Wiedererkennungswerte, obwohl die hinzugefügten, bekannten Neben-Charaktere der Handlung nicht dienlich sind. Hier arbeitet Weaver Bill Murray zu, damit der glänzen kann.

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