Kritik: „Studio 666“ – genau das, was der Rock and Roll braucht?

Eine Splatter-Komödie, um das Comeback des Rock and Roll einzuläuten: In BJ McDonnells „Studio 666“ nehmen die Foo Fighters ein Album in einer verwunschenen Villa ein, auf dass endlich der Evil Spirit zurückkehrt. Eine Rezension mit O-Tönen der Band.

„Rock and Roll is Dead“, sang Lenny Kravitz 1995, und er behielt zum Glück nicht recht; aber es ist nicht mehr Rock and Roll, den die meisten Millennials hören. Die erfolgreichsten Rock-Bands dieser Tage, ob gemessen an Albumverkäufen oder Tournee-Umsatz, bestehen aus Musikern über 40. Ihre Fans auch. Was braucht Rock and Roll, um wieder den jungen Mainstream zu erreichen?

„Ob es wirklich des Teufels braucht, um dem Rock and Roll zu helfen, weiß ich nicht“, sagt Dave Grohl im ROLLING-STONE-Gespräch. „Aber ich habe ja Kinder. Sie hören Musik. Sie lernen Instrumente. Ihre Freunde machen Musik. Was sie brauchen? Inspiration. Die kann nicht von mir kommen, nicht von Ihnen – sondern von jemandem aus ihrer eigenen Generation. Wie bei Billie Eilish. Das war weniger eine musikalische als eine emotionale Revolution. Die Kids verstanden ihre Ästhetik, ihre Botschaft, unabhängig von der Klasse ihrer Songs. Es kommt und geht in Wellen: In den späten 1960er-Jahren gab es eine politische Revolution, in den frühen 1990ern auch. Nun ist es jemand wie Billie Eilish, der Außenseiter anspricht.“

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In „Studio 666“ ziehen Dave Grohl und seine fünf Bandmitglieder in eine Villa im kalifornischen Encino, um eine neue Platte aufzunehmen. Aber mit der Arbeit kommen die Foo Fighters nicht voran. Ein Dämon, der sie töten will, wird schließlich zum kreativen Motor Dave Grohls; der Sänger spürt Kräfte in sich, die er nicht vermutete. Rock kann wieder heiß sein, sexy, gefährlich. Doch seine Freunde erkennen ihn bald nicht mehr wieder.

Die verwunschene Studiokulisse ist auch im echten Leben ein Aufnahmeraum: „In dem Wohnzimmer, das Sie im Film sehen“, sagt Grohl, „spielten wir auch unser jüngstes Album ‚Medicine at Midnight‘ ein. Ich weiß auch, warum das Werk so gut klang. Als wir erstmals unser Schlagzeug dort platzierten, stand noch Mobiliar herum. Eine Couch, ein Stuhl, eine Stehlampe. Ich sagte: ‚Lass das alles stehen!‘, mal sehen, was draus wird. Und das Ergebnis konnte sich hören lassen, da hatten wir wohl Glück.“

„Studio 666“ ist die Splatter-Version von Eitelkeitsgalas à la „Kiss meets the Phantom of the Park“, in denen Musiker unter echtem Namen phantastische Abenteuer bestehen. Der Film von Regisseur BJ McDonnell, bekannt geworden durch Videos für Slayer, bedient sich aber auch am Mythenschatz des Rock, in dem spukige Aufnahmeräume Komponisten zu ihren Meisterwerken getrieben haben. Ein Hauch von Led Zeppelin und Aleister Crowley unter einem Dach.

Keiner der sechs Foo Fighters, neben Grohl sind das Pat Smear, Nate Mendel, Taylor Hawkins, Chris Shiflett und Rami Jaffee, hat eine Schauspiel-Ausbildung genossen – ihre Leinwand-Darstellungen sind charmant amateurhaft. Sie sind Männer, die die Foo Fighters spielen, die wiederum Foo-Fighters-Schauspieler spielen. Dass die Band komödiantisches Talent besitzt, bewies sie erstmals im „The Big Me“-Video von 1995. Aus dem einst schüchternen, ernsten Nirvana-Schlagzeuger Grohl wurde über die Jahre der breit grinsende, nach Überraschungseiern süchtige Foo-Frontmann.

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Die Kino-Rollen entsprechen den jeweiligen Bühnenpersönlichkeiten. Der zurückhaltende Band-Dino Smear agiert leicht spöttisch, Schlagzeuger-Sonnyboy Hawkins wirkt stets etwas neben der Spur. Die beiden Gitarristen Chris Shiflett und Nate Mendel sehen aus wie Taxifahrer, die zum Abholen gekommen sind und sich in eine Bandprobe verirrt haben. Keyboarder Rami Jaffee ist der notgeile Clown, der die Nachbarin abschleppen will – er braucht ein Ventil. Wie jeder Keyboarder in einer Rock-Band mit drei Gitarristen haut er stets äußerst engagiert in die Tasten, ist aber nie hören. Wenn es wann in „Studio 666“ trifft, könnte auch etwas über die interne Hierarchie im echten Gruppen-Gefüge aussagen, aber wir spoilern keine Einzelschicksale. „Nun“, sagt Shiflett im Gespräch, „ich bin der Erste, den sein Schicksal ereilt. In meinen letzten Momenten spielt ein Barbecue-Grill eine gewisse Rolle.“ Lachend fügt er hinzu: „Das hat meine darstellerischen Möglichkeiten schon ziemlich ausgereizt.“ Pat Smear sagt: „Das Wie meines Abgangs konnte ich mitbestimmen – aber das Wodurch hatte ich mir nicht ausgesucht!“.

Die Werke John Carpenters im Check:

Es gibt Anleihen bei „Freitag, der 13.“ (der Mord von unten durch die Matratze) und „This Is Spinal Tap“ („Hey, wir spielen den Song in L-Dur!“). John Carpenter schrieb den Titelsong, ist in einer Nebenrolle zu sehen, und der Albertus-Schrifttyp der Credits ist seinen Werken entnommen. „Carpenter“, sagt Grohl, „hat uns natürlich beeinflusst, aber der Film ist eine Hommage an einige Monsterfilme mehr. Die Klassiker, in denen sich das Tor zur Hölle im Keller befindet. Oder ‚The Shining‘, mit im Haus eingeschlossenen Leuten, von denen einer durchdreht. Oder ‚Der Exorzist‘ mit dem Konzept der Besessenheit eines unschuldigen Menschen. Den Kontakt zu John Carpenter erhielt ich über einen gemeinsamen Freund. Dass er in unserem Film mitspielt, hätte ich jedoch nicht gedacht.“ Grohl habe ihm gemailt, und Carpenter sagte zu. „Der Grund? Wir nahmen die Band seines Sohns mit auf Tour, das war vor 15 Jahren. Wir behandelten ihn gut. Also bot Carpenter sogleich an, den Titelsong zu schreiben.“

Dazu gibt es amüsant-bescheuerte, aus dem Leben gegriffene Rockstar-Ideen, wie das kommende Album spontan dem ermordeten Roadie zu widmen, der nur Sekunden vorher tödliche Stromschläge erlitt, einige In-Jokes sowie eine Themensitzung im Büro der Plattenfirma mit Vermarktungsideen wie auf Koks. „Studio 666“ ist vielleicht kein cleverer, aber ein lustiger Film von und über Menschen, die ihren Celebrity-Status genießen und als Filmschaffende ihre Grenzen kennen.

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