Lamb – What Sound
Für all jene Menschen, die anno 1996 genauer hinhörten, war das selbstbetitelte Album-Debüt von Lamb eines der Alben des Jahres. Aber sowas geht nur in England: Ätherische Sängerin zeichnet schräge Koloraturen über hinterhältige Beats, deren spitze Zacken notdürftig mit überirdischen Melodiefragmenten verkleidet sind. Lamb huldigen dem polnischen Komponisten Henryk Gorecki, werden bald gefragte Remixer und rocken das Glastonbury Festival in großer Besetzung. In Sachen Charisma und Bandbreite können wenig andere mithalten, außer vielleicht Björk, Moloko und Portishead.
Auch anno 2001 stellt die Musik von Louise Rhodes und Andy Barlow noch Fragen: „What Sound“, ihr drittes Album, enthält weder TripHop noch Drum & Bass, und mit neumodischem Nu Jazz/Fusion-Getue haben sie herzlich wenig am Hut. Andy hat mehr Beats als Bukem, Louise mehr Soul als die meisten R&B-Tussis, aber beide bedienen sich lieber im Affektenkatalog der klassischen Musik. Streicher allüberall, mal kammermusikalisch („What Sound“), dann wieder ultrabreit in Cinemascope („Gabriel“). Manches klingt entfernt bekannt, doch das bewährte Drum & Voice-Duo aus Manchester hat die Kraft der zwei Herzen und genug innovative Ideen für drei Alben dabei. Andy klopft schon mal die Pianoseiten mit dem Nothammer ab und lässt zwischen dezenten Brachialbeats ein paar Vinyl-Samples knistern. Louise erschließt neue Skalen zwischen Dur und Moll. Und immer wieder kommen Songs, die wie „Small“ oder „This Could Be Heaven“ für wohligen emotionalen Aufruhr sorgen. Offenkundig haben Lamb nach dem schwierigen zweiten Album „Fear Of Fours“ und ihrer Beinahe-Trennung 1999 einen Weg gefunden, ihre immense Reibungsenergie fortan direkt ins Mischpult umzuleiten. Die beste Art, Strom zu mischen.