Lana Del Rey live in Berlin :: Velodrom, Berlin
Das Erfolgswunder Lana Del Rey im Elchtest: Wie schlägt sie sich auf der großen Bühne? Umgeben von Topproduzenten wie Guy Chambers, Videomachern wie Woodkid, Friseuren und Stylisten zuzüglich diverser Manager nebst Gesamtimage-Ausdenkern, stellt sich nun die Frage, was sie letztlich aus all dem machen wird. Oder in der Sprache des modernen Fußballs ausgedrückt: Kann Lana ihre maximale Leistung abrufen? In welcher Aufstellung wird die Bannerträgerin der kaputten Melancholie auflaufen? Im Studio gab es bislang nicht viel zu meckern. Die acht neuen Songs der „Paradise“-Edition (als Intermezzo für ein kommendes zweites Album) halten die schwierige Balance zwischen traurig, sehr traurig und milde getragen. „Blue Velvet“ von Bobby Vinton hat man schon knödeliger interpretiert gehört. Die erste große Tour also der Substanztest im 50-Europro-Ticket-Segment. Schließlich hat Mrs Rey allein in Deutschland weit über 500 000 Exemplare ihres Debuts „Born To Die“ verkauft. Das Berliner Konzert wurde aus dem mittelgroßen Tempodrom ins größere Velodrom mit einer Gesamtkapazität von 12 000 Zuschauern verlegt. Geschätzte 8500 kommen schließlich in die runde Betonsporthalle am S-Bahnring in Friedrichshain. Vor der Bühne einige Reihen mit Kreisch-Teenagern. Ansonsten ein urbanes Durchschnittspublikum zwischen 20 und 47. Darunter diverse zutätowierte Frauen mit interessanten Wasserwellen-Frisuren. Vereinzelt zweifelhafte Fetisch-High-Heels. Sonst normal.
Zerzauste Palmen in Sepia-Optik werden auf den weißen Bühnenvorhang projiziert. Dazu läuft hysterischer Klassikgesang aus einem B-Movie-Gruselfilm. Nach ersten Pfiffen um kurz nach neun fällt der Vorgang -kawumms – von der Decke. Der Blick wird frei auf ein indisch-römisches Fantasy-Bühnenbild: Palmen, ein überdimensionierter, dreiteiliger Schrank, auf dessen Spiegelflächen lichtstarke Videos laufen. Links ein Kunststofftiger, rechts ein -löwe. Das Ganze gekrönt von einer Art-deco-Lampe. Vier Streicherinnen, ein wild herumkloppender Percussionist. Dazu die bewährte Tourmannschaft Leonard Tribbett Jr (Drums), Gitarrist Blake Lee, Bassist Ronald „CJ“ Alexander und Byron Thomas, der sich gelegentlich ans Piano setzt. Nach einem semischweinerockigen Intro großer Jubel, als Mrs. Del Ray im seidenweißen Minikleidchen auf die Bühne schreitet. „Cola“ mit der expliziten Textzeile „my pussy tastes like Pepsi-Cola“ macht den Anfang, und um sofort das Eis zu brechen, begibt sich Lana zum Teenie-Händeschütteln in den Absperrgraben. „It’s good to be here again“ heißt die Übung. Die Retortenfigur legt großen Wert darauf, keine zu sein. In all ihrer Künstlichkeit beherrscht es Lana Del Rey perfekt, das amerikanische Trauma in Breitwand-Pop zu übersetzen.
Mit satt performter Routine geht es durch ihr Œuvre; mit den Eckpunkten „Video Games“ und der letzten Single-Auskopplung „Ride“, in der Lana großartig das kaputte Böse-Rocker-Liebchen gibt. Ein längeres Spoken-Word-Intro macht diesen epischen Song zu einem der Höhepunkte des Konzerts. Und ja, auch ich habe darauf gewartet, ob und wann ihre nicht immer Mailänder-Scala-feste Stimme bricht. Doch die in den vergangenen Monaten sorgsam abgeschirmte Exil-Londonerin bleibt in der Spur. Und Adele oder gar Aretha Franklin hat ja hoffentlich niemand von ihr erwartet. Letztlich schafft sie gar souverän einige Laut-leise-Brüller bei der einzigen Coverversion des Abends: „Heart- Shaped Box“ von Nirvana (den kurzen Schlenker zu „Knockin‘ On Heaven’s Door“ mal außen vor). Nach rund 80 Minuten gediegener Unterhaltung ist Schluss. Keine Zugaben. Test bestanden.