Laura Cantrell – Humming By The Flowered Wine
Bonbons, die kein Karies auslösen und Kinderhaare nicht verkleben, Eltern würden kapitale Untaten begehen für sowas. So sind Lauras Lieder: lieblich, aber ohne Zuckerzusätze oder gar künstliche Süßstoffe.
Die allgegenwärtige Gänsehaut ist feinsten, traditionellen Zutaten zu danken. Akustische Gitarren, Lapsteels, Fiddle, Mandoline, Akkordeon, Hammond-B3, Moog, Wurlitzer – die eigenen und angeeigneten Songs (ua. von Luanda Williams und Wynn Stewart) setzen Cantrell und Produzent JD Foster mit sicherem Gespür für bewahrenswerte Nashville-Klänge von gestern in Szene. Jeder Ton sitzt, keiner prahlt oder ist entbehrlich. Und wie gut, daß die Künstlerin kein krawalliges Organ hat. Engagiert und selbstbewußt singt sie, aber sie trägt auch ihre Verletzlichkeit zu Markte, wenn es die Authentizität verlangt. Wie sie beim leisen Abschied eines sterbenden Freundes das tragische Tremolo verweigert bei „Bees“: ganz groß und ein grober Klotz, der da nicht trocken schlucken muß. Die Mariahonces dieser Welt hätten diese intimen Sekunden mit herzlosem Stimmband-Geknatter gewiß verdorben. John Peel nannte das Debüt der Ex-Bankangestellten („Not The Trembling Kind“, 2000) „mein Lieblingsalbum der letzten zehn Jahre und vielleicht meines Lebens“. Und die Qualitäten, die die BBC-DJ-Legende hörte, hat auch die dritte Platte der Wahl-New-Yorkerin mit Tennessee-Wurzeln. Ob sie Süffiges im Pop-Umfeld anbietet (Emily Sprays „44th Street“), sich im Hillbilly-Gewand vor der Honkytonk-Lady Rose Maddox verbeugt („California Rose“), im Bumm-Tschick-Rhythmus die Finger an den Stetson legt („Poor Ellen Smith“) oder ganz zurückgenommen Dave Schramms zärtliches „And Still“ zelebriert – Laura Cantrells Americana schimmert auch im Vergleich mit Meisterlichem wie Patty Griffins „1000 Kisses“. Ihr Alternative-Country ist wahrhaftig und aufgeschlossen, im Damals geerdet und dem Morgen zugewandt. Vorwärts und nicht vergessen. Da ist die Chance, und nicht allein für die Musik.