LCD Soundsystem – Sound Of Silver

Der dicke Zwerg, der keine unnötige Tanzbewegung vollführt, der mit Ringel-Sweatshirt und Haar-Strubbelwuff neben seiner eigenen Musik immer noch ein bisschen dicker und zwergenhafter aussieht, weil es ja Dance-Musik ist und die eben ein kleines ästhetisches Problem mit der Darstellung von nicht so schönen Körpern hat.

James Murphy, Ende 30, aus New York, Rektor von LCD Soundsystem, hätte eigentlich die Rolle des Freaks auszufüllen, des DJs, des Produzenten – er hat ja auch als Hälfte des Studio-Duos DFA eminente Platten gemischt, unter anderem mit der Punk-Funk-Gruppe The Rapture. LCD Soundsystem sind allerdings kein körperloses Projekt, sondern eine richtige Disco-Band mit Schlagzeug, Computer, Gitarren, und Zwerg Murphy steht vorne, als Sänger und Denker, ohne mit der Wimper zu zucken oder mit dem Arsch zu wackeln.

Was hier freilich auch im Spiel ist: Siebziger-Diskotheken-Retro, sein Glanz und Elend, Sound-Nostalgie – mit Turnschuh-trockenem Schlagzeug-Bass-four-to-the-motherfucking-floor-Klang. Und trotzdem ist Murphys Soundsystem ein lakonischer, superaktueller Kommentar zu entrocktem Rock’n’Roll, Boheme, Nerdtum und allem Möglichen halt. „Sound Of Silver“ könnte man ungefragt als nächstes Glitzerstück in den Himmel loben, wenn das Album in der zweiten Hälfte nicht ein bisschen lahm werden und Zeit schinden würde. Was bei Tanzplatten ja vorkommen soll.

Obwohl James Murphy extrem auf Songs aus ist. Er macht ja keine Gebrauchsmusik, er entwirft viel mehr eine Art glamouröse Manhattan-Folklore, mit Mythos und allem, aus Disco-Sound und Rock’n’Roll a la Lou Reed/Strokes – seine Gesangs-Durchsagen mit ständig verstopftem Nasenloch werden in „North American Scum“ noch von einer irre schreienden Cheerleaderin begleitet, später von einem Eunuchen-Chor, während die Musik schraddert und schlägt wie ein Windhundepuls. Direkt danach die bestürzend liebliche Ballade „Someone Great“, wo viele kleine Glöckchen mitspielen, wenn Murphy singt, und man an tolle Zeiten denken muss, als die Musiker noch selbst über den Pop staunen mussten, der aus ihren Dino-Synthesizern bladderte. Und der Kehrreim fasst alles zusammen, das Lebensspendende, die Hohlheit der Disco: „And it keeps coming till the day it stops!“ Ausgelassen klingen LCD Soundsystem niemals.

Für die Statistik: Kuhglocken, Moroder, Talking Heads, Italo-House, Hamsterräder, David Bowie, Latin-Feeling, ein Bass aus einem Stück Knarzholz, und so weiter. Anders als die Scissor Sisters klingen LCD Soundsystem exklusiver, cleverer, was manche Leute stört, was hier aber super ist. Wie wenn man eine Orange schält und eine Discokugel rauskommt. Bloß tanzen wird keiner dazu.

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