Leonard Cohen :: Dear Heather

Leider wieder nur ein durchwachsenes, oft müdes Werk des großen Künstlers

Eine neue Cohen-Platte war angekündigt worden, doch viel hatten wir nicht mehr erwartet. Der Sänger schien zunehmend fremdgesteuert: Die Produzentin Sharon Robinson hatte seine „Ten New Songs“ törichterweise zu synthetischem Schrott aus dem Demo-Lab geraten lassen, und der Alte hatte sich nicht mal dagegen gewehrt. Wären da nicht die Texte gewesen: „By the rivers dark/ Where I could not see/ Who was waiting there/ Who was hunting me“, sang Cohen etwa in „By The Rivers Dark“. Was den Jäger vom Gejagten unterscheidet, hatte er ohnehin früh entdeckt und sich mal für die eine, mal für andere Seite entschieden. Aber: Hier hatte Cohen bei aller Kritik tatsächlich noch ein paar brauchbare Melodien aus dem Ärmel geschüttelt.

The old man is back again, und viele naseweise Alt-Fans wähnten ihn gleich wieder auf der Boogie Street. Dort aber fanden wir ihn nicht. Vielmehr saß Cohen wohl im Kaffeehaus, wenn er nicht gleich zu Hause geblieben ist und raunt selbstzufrieden seine neuen Poeme. Hat einen Saxofonisten bestellt den Laptop angeschlossen und nutzt gemeinsam mit Sharon Robinson irgendeine Software, mit deren Hilfe die meisten der neuen Stücke „instrumentiert“ sind. Macht sich Gedanken über die Frauen, wie er es in „Because Of“ besingt, äh, spricht: „Because of a few songs/ Where in I spoke of their mystery/ Women have been exceptionally kind to my old age/ (…)/ And they say: ‚Look at me Leonard/ Look at me one last time.'“ Der Kampf der Geschlechter, doch Schönheit sticht Alter.

„The Letters“, eine Erinnerung an eine alte Liebe, wäre früher nicht weiter aufgefallen, gehört aber hier zu den besseren Stücken. Für das tröstliche „The Faith“ werden dann sogar mal richtige Instrumente bemüht: Oud, Piano, Akkordeon, ein schwelgerisches Streicherarrangement, und Leonard Cohens alter Freund Paul Ostermayer spielt Flöte. Alles fast wie früher. Die Adaption von Frank Scotts „Villanelle For Our Time“ („From bitter searching of the heart/ We rise to play a greater part“) gerät dagegen ebenso müde wie das fast schon affig anmutende Titelstück. Der Glaube im Kunstlicht, die Knarre sicher im Holster.

Aber hier geht es wohl schon um erste Abschiede, um den langsamen Verlust der Kraft. Alte Weggefährten werden gegrüßt: „Go No More A-Roving“ (nach einem Gedicht von Lord Byron) ist Irving Layton, „Nightingale“ (mit Maultrommel!) Carl Anderson gewidmet. Auch deshalb ist es ergreifend, wenn Cohen zum Schluss den Standard „Tennessee Waltz“ (in einer betagten Live-Version) singt: „And I feel like I’m falling apart/ And it’s stronger than drink/ And it’s deeper than sorrow/ This darkness she’s Ieft in my heart“. Die Pedal-Steel heult auf, Cohen ist in seinem Element Trotzdem: Dear Leonard, das kann noch nicht alles gewesen sein.

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