Leonard Cohen Songs Of…/ Songs From A Room/ Songs Of Love And Hate

Die Damen meinten es halt immer gut mit ihm, und gelegentlich zierte von einer Geliebten auch schon mal ein Foto die LP-Hülle. Wer weiß, wie rasch er seine Sangeskarriere in die Gänge gebracht hätte, wäre da nicht eine gewesen, die einen der notorisch berühmtesten Talentsucher der Plattenindustrie auf ihn aufmerksam machte. Immer auf der Suche nach erstklassigen Songs, hatte Judy Collins neben solchen von Joni Mitchell, Randy Newman und Dylan für zwei LPs Mitte der 6oer Jahre fast ein halbes Dutzend von Leonard Cohen aufgenommen, als den —jedenfalls als Songwriter – noch so gut wie niemand kannte. Weil der ziemlich genialische Joshua Rifkin die Arrangements für sie schrieb, waren die Deutungen so eindrucksvoll wie ihre von“I Think It’s Going To Rain Today“ auch.

Eigentlich hatte der kanadische Poet ja ganz groß in Nashville als Country-Star rauskommen wollen. Aber dass er dort eine ernstzunehmende Konkurrenz für Waylon Jennings, Kris Kristofferson und anderen Nachwuchs geworden wäre, kann man nachträglich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen: „DressRehearsal Rag“, „Priests“, „Suzanne“ oder „Hey, That’s No Way To Say Goodbye“ deuteten nicht auf jemanden hin, der (wie an dem Punkt schon der Kollege Gram Parsons) ein ausgeprägtes Country-Feeling besessen hätte. Das glaubte auch John Hammond sr. nicht, als er ihnfür Columbia Records unter Vertrag nahm und den Produzenten John Simon für die Betreuungvon Cohens erster LP engagierte, weil er anderweitig stark in Anspruch genom men ¿war. Was Simon von Cohens sängerischen Qualitäten hielt, kann man daran ermessen, wie viele Streicher, Bläser und Chöre er für die Sessions verpflichtete. Als einsamen, nur sich selber an der Gitarre begleitenden Barden sah er ihn – im Gegensatz zu dem selber! – absolut nicht, schon gar nicht bei Songs wie „So Long, Marianne“.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Der Produzent hatte ja so recht. Ein auch nur ahnungsweise vergleichbar grandioses Sangesgenie wie damals der Kollege Tim Buckley war unser Mann aus Kanada wirklich nicht. Nur solo und komplett unplugged eingespielt, wäre dies Debüt mutmaßlich nicht mal der Achtungserfolg geworden, den Platz 83 der amerikanischen LP-Hitparade signalisierte. Immerhin konnte Cohen danach seinen Mentor davon überzeugen, dass Dylans Produzent Bob Johnston auch für ihn genau der richtige wäre.

Deswegen zierten auf „Songs From A Room“(4,0) am Ende aber trotzdem opulente Streicher den Ohrwurm „Bird On The Wire‘. Ganz im Gegensatz zur Urfasssung mit dem Arbeitstitel „Like A Bird“, die auf der Remaster-Ausgabe jetzt erstmals überhaupt zu hören ist. Diese ungleich spartanischer arrangierte Version hat zweifellos einen ganz eigentümlichen Reiz, aber denselben bedingungslosen Gefühlsüberschwang wie die letztlich freigegebene Fassung vermittelt sie nicht. Columbia bewarb die LP mit der Behauptung, dass man es hier mit dem außergewöhnlichen Fall von jemandem zu tun habe, der Gedichte vertone.

Was vollkommener Blödsinn war. Wo er das tatsächlich irgendwo tat wie bei „The Butcher“, gehörte die zu den schwächeren der neuen Aufnahmen. Zumindest ein klein wenig erfolgreicher war die Platte schon, und sie festigte seinen Kultstatus in Übersee ganz beträchtlich. Aber die Plattenfirma förderte den ihrerseits ganz sicher nicht weitsichtig. Wie mit der Single-Hülle hier abgedruckt bewiesen, wählte sie (oder Cohen?) mit „The Partisan“ eine der entschieden ambitioniertesten Aufnahmen (ein ungewöhnlich fatalistisches, offenbar im besetzten Frankreich komponiertes Resistance-Lied) als A-Seite für die neue Single aus — und „Bird On The Wire“ als B-Seite!

Dass etliche Lieder, die er für die „Songs Of Love And Hate“ (4,0) fertig komponiert hatte, eine ganze Menge Goutierbares besaßen, fiel erst auf, als viele Jahre später Jennifer Warnes die für ihr Tribute-Projekt „Famous Blue Ramcoat“ sang. Ohne diese Platte wäre der Mann möglicherweise irgendwann gänzlich in Vergessenheit geraten. Stattdessen wurde La Warnes für ihn das, was Rick Rubin für Johnny Cash erst noch werden sollte. „Im Tour Man“ war das Comeback, an das bei diesem von vielen schon abgeschriebenen etwas älteren Herrn wohl nur noch unverbrüchliche Bewunderer glaubten. Über die Jahre hinweg musste Columbia i n m ilder Depression auch schon mal ältere Konzertmitschnitte öffentlich machen, auf dass die Erinnerung an ihn nicht stark zu verblassen begann. Trotzdem mehr als rätselhaft, wieso man sich bei einem so renommierten Künstler so viele Jahrzehnte Zeit ließ, bis man zunächst mal wenigstens die frühen Platten remastered zugänglich machte. Zumindest die beiden Bob-Johnston-Produktionen profitieren davon klanglich ganz. (Replays)

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