Liebesleben :: Maria Schrader (Start 8.11.)

Im deutschen Kino tummeln sich lauter Filmakademiker, und sieht man sich ihre Geschichten an, sind sie oft verquast, gewunden, zäh und ohne Lebensfunken. Umso mehr überrascht das Regiedebüt von Maria Schrader, die bereits als Schauspielerin saftige Rollen bevorzugte und nun mitreißend den Bestsellerroman der israelischen Schriftstellerin Zeruya Shalev verfilmt hat über die schmerzhafte Liebe einer jungen Frau zu einem wesentlich älteren Mann. Vom Thema her hätte das schnulzig oder schwülstig missraten können.

Jara (Netta Garti) ist Studentin, verheiratet mit Joni (Ishai Golan) und hat nach ihrem Examen gute Aussichten auf eine Assistentenstelle an der Uni. Gerade haben sie eine neue Wohnung bezogen, es ist ein unaufgeregtes, verplantes Leben. Bis am 60. Geburtstag ihres Vaters Leon (Stephen Singer) dessen früherer Studienfreund Arie (Rade Sherbedgia) auftaucht, erstmals nach 30 Jahren. Irritiert verfolgt Jara die Reaktionen: Leon ist vor Freude völlig aufgekratzt, ihre Mutter Hannah (Tovah Feldshuh) hat sich zeternd im Schlafzimmer verkrochen und Arie sitzt da mit einer Ruhe, die zugleich Spott und Melancholie verströmt. Jara fühlt sich von ihm angezogen, sucht ihn auf, wird seine Geliebte, und obwohl ihre devote Leidenschaft, die sie zunächst selbst nicht erklären kann, bei ihm auf demütigende Kälte stößt, demontiert sie mit der Affäre ihr bisheriges Leben.

Dieser Plot gehört zum Bausatz aller Geschichten von fataler Liebe oder sexueller Hörigkeit. Besonders klingt „Der letzte Tango von Paris‘ an, wobei hier mehr die junge, lebenshungrige Frau als der alte, lebensmüde Mann im Mittelpunkt steht. Sie will sich zwar nicht von ihm bestimmen lassen, versucht deshalb verrucht und dominant zu sein, er beherrscht das Spiel jedoch besser als sie, denn:

„Mir ist alles gleich.“ Seine Frau liegt im Sterben, er ist satt. „Ich mache mein Leben kaputt, und du kommst um vor Langeweile“, empört Jara sich unter Tränen, dennoch ist sie fasziniert von seinem Fatalismus und getrieben von einem Geheimnis zwischen Arie und ihren Eltern. Schrader gelingt es auch in heiklen Szenen, die tragische Intensität und berührende Intimität hervorzuheben, statt die Momente auf Masochismus oder perfide Triebe zu reduzieren. Weil sie als Regisseurin ohne Schnickschnack die Figuren einfach treiben lässt, sich auf die Kraft der Geschichte verlässt und die exzellenten Darsteller, von denen Garti an die junge Hannelore Eisner erinnert. Und Schrader hat Gespür für Humor gerade in bitteren Situationen. Bei einem deutschen Film hat man das alles zuletzt in „Gegen die Wand“ von Fatih Akin gespürt. Unterschwellig fängt „Liebesleben“ aber auch das Israel zwischen Krieg und Normalität ein. Shalev war selbst Opfer eines Terroranschlags geworden. Aber vor allem ist das persönliche Trauma zwischen Arie, Leon und Hannah eine Metapher für den Konflikt in dieser Region.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates