LITTLE BLUE – Angels, Horses & Pirates
Mit der ach so gängigen Floskel „Weniger ist mehr“ lassen sich herrlich Unfähigkeit, Dilettantismus und Großkotzigkeit kaschieren. Denn nur ein Chet Baker konnte die Stille zwischen zwei gehauchten Trompetentönen explodieren lassen, und nur einem wie Miro gelang es, mit ein paar scheinbar mühelos dahingeworfenen Farbtupfern und Strichen ein Bild zum Sprechen zu bringen. Wer das begriffen und akzeptiert hat, der fragt sich unter Umständen: Warum nicht mal „noch mehr“? Vielleicht ergibt das „noch mehr“ ja plötzlich sogar „viel mehr“.
So in etwa könnten Little Blue gedacht haben, denn dieses Trio aus New „Vbrk engagierte für sein Debüt gleich eine ganze Armada renommierter Gastmusiker, in der Hauptsache Gitarristen. Schon allein dieser Strategie verdankt „Angels, Horses & Pirates“ einen Großteil seiner Einzigartigkeit, denn wenn bei einigen Titeln drei Saitenartisten – darunter Robben Ford, Eric Johnson, Julian Coryell (der Filius von Larry), David Grissom (Joe Ely) und Warren Haynes (Allman Bros.) um die Wette musizieren, dann tut sich ein Klangspektrum auf, das durch seine Dichte wie auch die solistischen Höhenflüge der Akteure besticht.
Einen nicht minder hohen Anteil daran, dieser LP Ausnahmestatus attestieren zu müssen, hat aber auch das Songwriting von Bandleader Steve PostelL Nicht nur hat der Sänger und Gitarrist mit Little Feat und Steely Dan die richtigen Koordinaten aus den goodolddäys, er hat auch die neuerliche Roots-Rückbesinnung der Folk- und Heartland-Rocker verinnerlicht und schreibt daher Songs, die etwa von den „goldenen Zeiten“ der USA erzählen, ohne dabei aber durch die Norman-Rockwell-Nostalgie-Brille zu blicken. Wo andere sich verbittert in Zynismen flüchten, verbreitet Posteil mit seinen Songs Wärme und Intimität, ohne dabei jemals aufgesetzt oder gekünstelt zu wirken.
Zählt man all das zusammen und addiert noch die verblüffende aber gewollte Stilvielfalt, die von Song zu Song die Spielart wechseln läßt, hinzu, dann ergibt das ein Album, das einen mit seiner positiven Ausstrahlung und einer Musikalität auf höchstem Niveau in seinen Bann zieht und den Hörer erst lange, nachdem der letzte Track verklungen ist, wieder losläßt. So gebannt war der Rezensent, daß er fast vergessen hätte, den überirdisch harmonisierenden Gesang der Damen und Herren lobend zu erwähnen. Unter den diversen weiblichen Stimmen auf diesem wunderbaren Album weiß vor allem die bekanntermaßen besonders qualifizierte von Leonard Cohens alter Muse Jennifer Warnes hell zu leuchten.