Little Children :: Start: 26. 4.
Wie kleine Kinder verhalten sich die Bewohner eines nach außen hin idyllischen Vorortes von Boston. Die Literaturwissenschaftlerin Sarah (Kate Winslet) langweilt sich als Hausfrau mit ihrer vierjährigen Tochter und hält sich für eine moderne Madame Bovary. Ihr Mann (Gregg Edelman) ist süchtig nach Internetpornos und onaniert mit einem Slip über dem Kopf. Brad (Patrick Wilson) fühlt sich als Versager, weil er täglich seinen Sohn im Kinderwagen durch die Straßen schieben rnuss und seine gefühlskalte Ehefrau Kathy (Jennifer Connelly) als Dokumentarfilmerin das Geld verdient. Er kann sich nicht mal zum Lernen für seine letzte Anwaltsprüfung aufraffen, schaut lieber mit glänzenden Augen einer Teenagergruppe beim Skateboardfahren zu. Auch der verurteilte Pädophile Ronald (Jackie Earl Haley) ist infantil geblieben. Er verspricht ein „guter Junge“ zu sein für seine greise Mutter (Phyllis Somerville), die ihn noch immer zu verheiraten versucht. Seit er nach der Haftentlassung zu ihr gezogen ist, wird er vom Ex-Cop Larry (Noah Emmerich) beschattet. Als Sittenwächter hat der endlich eine Aufgabe, in die er sich so hineinsteigert, dass er vor Ronalds Haus nachts Drohungen und Beschimpfungen durchs Megafon bellt.
Gescheiterte, Frustrierte, Gestörte – in seinem erst zweiten Film nach „In The Bedroom“ vor fünf Jahren entlarvt Todd Field die Lebenslügen einer Gesellschaft, die sich gerne liberal, emanzipiert, aufgeklärt und zielstrebig gibt, aber innerlich zutiefst verunsichert ist. Trotz eines spöttischen Untertons und satirischer Momente aber denunziert er nicht die Charaktere, sondern führt ihre Schwächen und Widersprüche in einem komplexen Drama zusammen. Sarah und Brad, die sich auf einem Spielplatz begegnen, beginnen eine Affäre.
Sie kauft sich einen knallroten „Baywatch“-Badeanzug, er beweist seine Männlichkeit im „Guardians“-Footballteam von Larry, und beim Sex fallen sie übereinander her wie zwei Pubertierende. Im Freibad aber tauschen sie allenfalls verstohlene Blicke aus.
Behutsam, bedächtig entwickelt Field die Geschichte und Gemeinsamkeit der Figuren. Lange weiß man nicht, wohin der Film führen soll, die Zeit verstreicht, ein Tag ist wie der andere, was Field virtuos mit einer fließend montierten Sequenz am Swimmingpool Visualisiert, bei der die Kamera am Beckenrand entlang gleitet. Ober allem liegt eine paranoide, verstörende Grundstimmung, die schließlich in einer Massenpanik kulminiert, als die Mütter plötzlich Ronald im Schwimmbad entdecken. Die Kinder toben, das Wasser brodelt, schnorchelnd beobachtet Ronald die zappelnden Beine, bis auf einmal alles ruhig wird. Als er auftaucht, ist das Becken leer. Und die Familien starren ihn mit stummer Verachtung an.